15.07.2013 Zivilrecht

OGH: § 66 EheG – Unterhaltsvereinbarungen und Umstandsklausel

Für den angemessenen Unterhalt bildet der Lebenszuschnitt zur Zeit der Scheidung bloß den Ausgangspunkt, von dem aus alle Veränderungen in den beiderseitigen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen sind; daher nimmt der Unterhaltsberechtigte nach Maßgabe der clausula rebus sic stantibus auch nach der Scheidung am wirtschaftlichen Aufstieg und Niedergang des Unterhaltspflichtigen teil und partizipiert damit gewissermaßen an dessen Lebensstandard


Schlagworte: Familienrecht, Eherecht, Unterhalt, Umstandsklausel, wirtschaftlicher Aufstieg und Niedergang des Unterhaltspflichtigen, Überalimentierung
Gesetze:

§ 94 ABGB, § 66 EheG

GZ 9 Ob 14/13v, 29.05.2013

 

Gegen den geltend gemachten Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG wendet der Beklagte ein, dass seine Karriere erst zwanzig Jahre nach der Scheidung begonnen habe, als die drei gemeinsamen Kinder längst erwachsen gewesen seien und er wiederverheiratet gewesen sei. Die Klägerin habe zu seinem nunmehrigen Einkommen weder einen materiellen noch einen ideellen Beitrag geleistet.

 

OGH: Dass mit dem im Scheidungsvergleich vom 28. 6. 1974 festgelegten Unterhaltsanspruch der Klägerin kein Fixunterhalt vereinbart wurde, bestreitet der Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr. Ansonsten gelten Unterhaltsvereinbarungen als unter der Umstandsklausel abgeschlossen, sofern diese nicht unzweifelhaft ausgeschlossen wurde. Letzteres war hier nicht der Fall. Die Wirkung der Klausel liegt darin, dass bei wesentlicher Änderung der maßgeblichen Umstände eine Anpassung des Unterhaltsanspruchs verlangt werden kann. Eine zeitliche Beschränkung besteht dafür nicht, der Anspruch als solcher ist unverjährbar (§ 1481 ABGB).

 

Für den angemessenen Unterhalt bildet der Lebenszuschnitt zur Zeit der Scheidung bloß den Ausgangspunkt, von dem aus alle Veränderungen in den beiderseitigen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen sind. Daher nimmt der Unterhaltsberechtigte nach Maßgabe der clausula rebus sic stantibus auch nach der Scheidung am wirtschaftlichen Aufstieg und Niedergang des Unterhaltspflichtigen teil und partizipiert damit gewissermaßen an dessen Lebensstandard. Das Argument, dass der Unterhaltsberechtigte dergestalt auch dann vom Einkommen des anderen profitiert, wenn er nichts mehr zu dessen Lebensstandard beiträgt, wird dadurch aufgewogen, dass der Unterhaltsberechtigte bei einer wesentlichen Einkommenseinbuße des Unterhaltspflichtigen auch eine Reduktion seines Unterhaltsanspruchs hinnehmen muss.

 

Weiters wurde bereits ausgesprochen, dass auch bei überdurchschnittlich hohem Einkommen des besser verdienenden Ehegatten der Unterhaltsberechnung 40 % des Familieneinkommens zugrunde zu legen sind, weil dieser Prozentsatz auf den besonderen Arbeitseinsatz und damit allenfalls verbundene (Rekreations-)Kosten des unterhaltspflichtigen angemessen Bedacht nimmt. Eine „Überalimentierung“, wie sie im Bereich des Kindesunterhalts aus pädagogischen Gründen vermieden werden soll, ist bei der Bemessung des Unterhalts Erwachsener nicht anzuwenden, weil hier erzieherische Überlegungen nicht Platz greifen können.