OGH: Tatsächlich nicht gezogene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten an Vermögenserträgen sind angemessen zu berücksichtigen, wenn sie der Unterhalt fordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte ziehen können
Eine strenge Beurteilung seines wirtschaftlichen Verhaltens erscheint nicht angemessen, zumal die Vermögensverwaltung einer Privatperson nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten erfolgt, sondern besonders auch von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften (Alter, geschäftliche Erfahrung, Lebenssituation usw) sowie persönlichen Zielsetzungen bestimmt wird
§ 94 ABGB, § 66 EheG
GZ 9 Ob 14/13v, 29.05.2013
Der Beklagte meint, dass sich die Klägerin fiktive Mieteinkünfte aus der Liegenschaft in K anrechnen lassen müsse.
OGH: Tatsächlich nicht gezogene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten an Vermögenserträgen sind angemessen zu berücksichtigen, wenn sie der Unterhalt fordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte ziehen können. Dem Unterhaltsberechtigten ist dabei ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen. Eine strenge Beurteilung seines wirtschaftlichen Verhaltens erscheint nicht angemessen, zumal die Vermögensverwaltung einer Privatperson nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten erfolgt, sondern besonders auch von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften (Alter, geschäftliche Erfahrung, Lebenssituation usw) sowie persönlichen Zielsetzungen bestimmt wird.
Die Klägerin übergab die erwähnte Liegenschaft gegen Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts mit Notariatsakt vom 28. 12. 2010 der gemeinsamen Tochter. Da diese - in Familienkreisen durchaus übliche - Übergabe zu einem Zeitpunkt stattfand, als die Klägerin (rechtsirrtümlich) keinen Unterhalt vom Beklagten forderte, ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass ihr unterhaltsrechtlich daraus kein Vorwurf zu machen sei, vertretbar.
Die Wohnkostenersparnis der Klägerin aus ihrer Nutzung des Hauses in W wurde vom Berufungsgericht gem § 273 ZPO mit 300 EUR berücksichtigt. Die Anwendung dieser Bestimmung hat gewöhnlich - und auch hier - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin für das Haus, das sie schon mit den Kindern bewohnt hatte und vor Jahren einem ihrer Söhne übertrug, sämtliche Kosten, Abgaben und Versicherungen zahlt, hat das Berufungsgericht den ihm eingeräumten Ermessensspielraum auch nicht offenkundig überschritten. Für den behaupteten Wert von 900 EUR fehlen hinreichende Anhaltspunkte.
Das Vorbringen des Beklagten, seit Juli 2012 gegenüber seiner nunmehrigen Ehefrau unterhaltspflichtig zu sein, war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und des festgestellten Sachverhalts.