17.07.2013 Arbeitsrecht

VwGH: Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften und funktionierendes Kontrollsystem

Es ist nicht Aufgabe der Behörde, Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem aussehen müsste, sondern nur zu überprüfen, ob das behauptete Kontrollsystem ausreichend gestaltet ist, um mangelndes Verschulden darzutun


Schlagworte: Arbeitnehmerschutz, wirksames Kontrollsystem zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, eigenmächtige Handlungen von Arbeitnehmern
Gesetze:

ASchG, BauV, § 5 Abs 1 VStG, § 9 VStG

GZ 2012/02/0072, 24.05.2013

 

In der Beschwerde wird ausgeführt, die belBeh versuche, dem Bf als "verschuldensbegründend" vorzuhalten, er habe keine konkreten Maßnahmen angeführt, was konkret angeordnet oder unternommen worden sei, um solche rechtswidrigen Weisungen und Vorgangsweisen hintanzuhalten.

 

Der Bf habe ein ganzes Maßnahmenpaket vorgebracht und unter Beweis gestellt, welches die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Bereich Arbeitssicherheit gewährleisten solle.

 

Dies beginne beim arbeitsrechtlichen Aspekt (Dienstvertrag, Setzung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Fall eines Verstoßes), gehe weiter über organisatorische Aspekte (Erstellung von Betriebsanweisungen im Bereich Arbeitssicherheit, Baustellenevaluierung, Präventivmaßnahmen, Nachbearbeitung von festgestellten Fehlern) über Schulungsaspekte (Erstschulung, laufende Baustellenschulungen) bis hin zu Kontrollmaßnahmen (ständige Baustellenkontrollen intern und extern, weiters auch durch Arbeitsinspektorat mit sofortiger Behebung von Mängeln und Erteilung von Weisungen).

 

Die belBeh habe im Ergebnis den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil sie entgegen den Verfahrensergebnissen die vom Bf tatsächlich konkret getroffenen Maßnahmen bei der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes nicht berücksichtigt und somit dem Bf zu Unrecht vorgeworfen habe, er habe es unterlassen, "wirksame Maßnahmen" im Rahmen des Kontrollsystems vorzukehren, um die Verletzung von Schutzbestimmungen aus dem Bereich Arbeitnehmerschutz hintanzuhalten. Im Übrigen werde auch nicht einmal andeutungsweise dargetan, welche weiteren Maßnahmen der Bf gegenständlich hätte tätigen können bzw müssen.

 

VwGH: Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, dem Bf Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem aussehen müsste, sondern nur zu überprüfen, ob das behauptete Kontrollsystem ausreichend gestaltet ist, um mangelndes Verschulden darzutun.

 

Nach stRsp des VwGH ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, ua aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

 

Das entsprechende Kontrollsystem hat aber auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten.

 

Die belBeh hat den umfassenden arbeitnehmerschutzrechtlichen Maßnahmen der B.-GmbH. in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung Glauben geschenkt, jedoch dennoch dem Bf eine Mangelhaftigkeit des Kontrollsystems zur Last gelegt, weil der zuständige Polier P trotz des vorgebrachten und als erwiesen angenommenen Sicherheitskonzeptes und der Schulungen eine rechtwidrige Anordnung traf, nämlich zum Verbinden der Rohre die Künette auch ohne die nach dem Gesetz erforderliche Sicherung zu betreten. Es wurde daher keine (ausreichende) Vorsorge getroffen, die hätte gewährleisten können, dass derlei Anordnungen und Schritte nicht gesetzt werden.

 

Darüber hinaus reichen stichprobenartige Überprüfungen der Baustelle und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ua auch festgestellt, dass zum Tatzeitpunkt der Polier nicht an der Unfallstelle anwesend war. Es fehlt auch an Anhaltspunkten dafür, dass Vorsorge getroffen wurde, dass eine geschulte Aufsichtsperson auf der Baustelle anwesend war.

 

Entgegen den umfangreichen Beschwerdeausführungen zum erforderlichen Ausmaß der Kontrolltätigkeit sieht sich der VwGH auch aufgrund des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlasst, von seiner bisherigen diesbezüglichen Judikatur abzugehen. Der Bf räumt in diesem Zusammenhang ua selbst ein, dass zB der zuständige Bauleiter lediglich zweimal pro Woche auf der Baustelle gewesen ist, um Kontrolltätigkeiten durchzuführen und Sicherheitsfrage zu erörtern. Auch wenn noch zusätzliche Kontrollen durch Sicherheitsfachkräfte und auch externe Kontrollen und Ähnliches in der B.-GmbH durchgeführt werden, vermag dies nichts an der rechtlich nicht zu beanstandenden Beurteilung der belBeh zu ändern, dass im konkreten Fall auch nur stichprobenartige Überprüfungen stattfanden.

 

In der Beschwerde wird schließlich eingewendet, festgestellte gravierende Mängel - wie gegenständlich die Vorgangsweise des Poliers K - würden aufgrund einer Weisung des Bf bei der Personalabteilung gemeldet. So habe der Polier K als Zeuge angegeben, dass er wegen seiner rechtswidrigen Vorgangsweise seitens der Personalabteilung verwarnt und ihm bei einem weiteren derartigen Vorkommnis die Kündigung angedroht worden sei. Es sei in diesem Zusammenhang vom Bf darauf hinzuweisen, dass weitergehende Maßnahmen aus arbeitsrechtlicher Sicht gar nicht möglich seien.

 

Nach der hg Rsp reicht aber auch eine Verwarnung für den ersten festgestellten Verstoß für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus.

 

Es begegnet daher unter diesen Umständen keinen Bedenken, wenn die belBeh zu Recht zu dem Schluss gekommen ist, dass dem Bf ein Entlastungsbeweis iSd § 5 Abs 1 VStG nicht gelungen ist.