22.07.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Elternrente aus der Unfallversicherung – zur Frage, inwieweit für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 219 ASVG auf die überwiegende Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts abzustellen ist

Beide Anspruchsvoraussetzungen (Bedürftigkeit der Eltern und überwiegende Bestreitung des Lebensunterhalts durch den Versicherten) stehen in einem engen Zusammenhang, denn nur für den Fall, dass die Eltern bereits bis zum Tod des Versicherten bedürftig, dh in so ungünstigen Vermögens- und Einkommensverhältnissen waren, dass sie zur Deckung ihres notwendigen Unterhalts auf die Unterstützung durch den Versicherten wesentlich (überwiegend) angewiesen waren, kann durch den Tod des Versicherten eine wirtschaftliche Notlage der Eltern des Versicherten hervorgerufen werden, die in einem Kausalzusammenhang mit den Versicherungsfall steht


Schlagworte: Unfallversicherung, Elternrente, Bedürftigkeit der Eltern, überwiegende Bestreitung des Lebensunterhalts durch Versicherten, Ausgleichszulage, Richtsatz
Gesetze:

§ 219 ASVG, § 292 ASVG, § 293 ASVG

GZ 10 ObS 74/13z, 25.06.2013

 

OGH: Nach § 219 Abs 1 ASVG haben ua bedürftige Eltern des Versicherten, dessen Tod durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, Anspruch auf Elternrente von zusammen jährlich 20 vH der Bemessungsgrundlage, wenn der Versicherte ihren Lebensunterhalt überwiegend bestritten hat. Den Eltern gebührt die Rente für die Dauer ihrer Bedürftigkeit (Abs 3).

 

Die Elternrente verfolgt ua den Zweck, den infolge des Todes des Versicherten weggefallenen Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihr Kind zu ersetzen. Die Elternrente soll ganz allgemein an die Stelle der bisher vom Kind gewährten Unterstützung treten und dem bedürftigen Elternteil die Grundlage für die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts bieten.

 

Eine Elternrente ist daher nur bei Bedürftigkeit des Anspruchswerbers und unter der Voraussetzung, dass der nunmehr verstorbene Versicherte den Lebensunterhalt der Eltern überwiegend bestritten hat, zu gewähren. Bedürftigkeit iSd § 219 ASVG liegt nach der Rsp dann vor, wenn der Anspruchswerber im Zeitpunkt des Todes des Versicherten weder durch eigenes Vermögen oder durch eigenes Einkommen noch durch eine zumutbar gewesene Beschäftigung im Stande gewesen ist, den notwendigen Unterhalt selbst zu erwerben. Maßgebend für das Vorhandensein dieser Umstände ist, dass beide Voraussetzungen im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bestehen. Es ist daher auch bezüglich der überwiegenden Bestreitung des Lebensunterhalts auf die Zeit vor dem Tod des Versicherten abzustellen, da nur bis dahin Unterhaltsleistungen des Versicherten denkbar sind.

 

Beide genannten Anspruchsvoraussetzungen (Bedürftigkeit der Eltern und überwiegende Bestreitung des Lebensunterhalts durch den Versicherten) stehen aber nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen in einem engen Zusammenhang, denn nur für den Fall, dass die Eltern bereits bis zum Tod des Versicherten bedürftig, dh in so ungünstigen Vermögens- und Einkommensverhältnissen waren, dass sie zur Deckung ihres notwendigen Unterhalts auf die Unterstützung durch den Versicherten wesentlich (überwiegend) angewiesen waren, kann durch den Tod des Versicherten eine wirtschaftliche Notlage der Eltern des Versicherten hervorgerufen werden, die in einem Kausalzusammenhang mit den Versicherungsfall steht. Nur unter diesem Gesichtspunkt wollte offenbar der Gesetzgeber eine Versicherungsleistung gewähren.

 

Die Elternrente soll, wie bereits erwähnt, dem bedürftigen Elternteil die Grundlage für die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts bieten. Der notwendige Unterhalt einer Person ist dann sichergestellt, wenn sie über Einkünfte in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes verfügt. Die Ausgleichszulage soll nämlich jenen Betrag sicherstellen, der über die Bezüge an Pension, Unterhalt und sonstigem Einkommen hinaus für die Lebensführung unbedingt notwendig ist.

 

Nach den Feststellungen des Erstgerichts lebte der Kläger zum Zeitpunkt des Todes seiner Adoptivtochter in Spanien und bezog damals Pensionsleistungen iHv insgesamt 585 EUR netto monatlich. Es muss im vorliegenden Fall zu der Frage, ob bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei im Ausland lebenden Eltern auf die dort notwendigen Lebenshaltungskosten abzustellen sei, weil nur so vermieden werden könne, dass Personen in Ländern mit niedrigeren Lebenshaltungskosten als in Österreich gegenüber in Österreich lebenden Personen begünstigt werden, nicht inhaltlich Stellung genommen werden. Denn selbst wenn man im vorliegenden Fall iSd Ausführungen des Berufungsgerichts von den österreichischen Verhältnissen und somit davon ausgeht, dass der Kläger mit seinem monatlichen Nettoeinkommen von 585 EUR seinen notwendigen Unterhalt iSd Ausgleichszulagenrichtsatzes nicht zur Gänze decken konnte, ist doch darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen im Zeitpunkt des Todes seiner Adoptivtochter nicht überwiegend auf deren Unterstützung zur Deckung seines notwendigen Unterhalts angewiesen war. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass ein notwendiger Kausalzusammenhang mit dem eingetretenen Versicherungsfall nur im Umfang jener Zahlungen liegen kann, mit denen die Differenz zwischen dem Einkommen des Anspruchswerbers und dem durch den Ausgleichszulagenrichtsatz repräsentierten notwendigen Unterhalt abgedeckt wurde. Ein Anspruch auf Elternrente kommt somit im Wesentlichen nur dann in Betracht, wenn das Eigeneinkommen des Anspruchswerbers unter der Hälfte des maßgeblichen Richtsatzbetrags liegt, was beim Kläger unbestritten nicht der Fall ist.

 

Der Kläger war daher im Zeitpunkt des Todes seiner Adoptivtochter nicht überwiegend auf deren Unterstützung zur Deckung seines notwendigen Unterhalts angewiesen und erfüllt somit nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Elternrente nach § 219 Abs 1 ASVG.

 

Damit kommt dem Vorbringen des Klägers, seine Adoptivtochter habe ihm regelmäßig Geldbeträge iHv 700 EUR bis 750 EUR (monatlich) zugewendet, keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu.