29.07.2013 Zivilrecht

OGH: Übermäßiger Gebrauch der gemeinsamen Sache durch Miteigentümer – (rückwirkender) Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt

Der Miteigentümer kann ein anteiliges Benützungsentgelt für die übermäßige Nutzung der gemeinsamen Sache durch einen anderen Miteigentümer ab Zugang des ausdrücklichen oder schlüssigen Widerspruchs dieses Miteigentümers gegen die übermäßige Benützung verlangen


Schlagworte: Miteigentumsrecht, übermäßiger Gebrauch, Benützungsentgelt, Widerspruch
Gesetze:

§§ 825 ff ABGB, § 839 ABGB

GZ 7 Ob 86/13t, 19.06.2013

 

Die in S gelegene Liegenschaft steht seit März 2005 im Miteigentum der Klägerin (ein Sechstel) und der Beklagten (fünf Sechstel). Die Klägerin begehrt die Zahlung von Benützungsentgelt. Infolge der Entziehung der Zugangsmöglichkeit durch die die Liegenschaft allein nutzende Beklagte sei sie in ihrem eigenen Gebrauch verkürzt worden.

 

OGH: Nach § 839 ABGB werden Nutzungen und Lasten gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile ausgemessen und im Zweifel jeder Anteil als gleich groß angesehen. Wird einem Miteigentümer ein seinen Miteigentumsanteil übersteigender Teil der gemeinschaftlichen Sache zur persönlichen Benützung überlassen, ist die ihm dadurch zukommende, verhältnismäßig größere Nutzung durch eine entsprechende Gegenleistung auszugleichen. Für die „persönliche Benützung“ wesentlich ist nur, dass der Miteigentümer, der seinen Anteil ausschließlich auf Grund seines Miteigentums und nicht aus einem anderen Titel für seine Zwecke verwendet bzw zur Benützung zur Verwendung gestellt erhalten hat; ob er selbst dauernd oder zeitweise in den Räumen wohnt, sie durch andere Personen ohne eigenen Rechtstitel benützen oder auch freistehen lässt, ist unerheblich.

 

Das Berufungsgericht hat die einschlägige Judikatur des OGH zutreffend dargestellt.

 

In der ebenfalls vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 248/08x (die eine vermietete gemeinsame Sache zum Gegenstand hatte) sprach der OGH nach Auseinandersetzung mit der Rsp und den dazu veröffentlichten Lehrmeinungen aus, dass der Miteigentümer ein anteiliges Benützungsentgelt für die übermäßige Nutzung der gemeinsamen Sache durch einen anderen Miteigentümer ab Zugang des ausdrücklichen oder schlüssigen Widerspruchs dieses Miteigentümers gegen die übermäßige Benützung verlangen kann. In 8 Ob 127/11a bekräftigte der OGH diese Rsp.

 

Die Vorinstanzen beurteilten die Aufforderung der Klägerin im Jahr 2006 an die Beklagte, ihr die vorenthaltenen Schlüssel für die Liegenschaft auszuhändigen, weil sie im Sommer dort einen dreiwöchigen Urlaub verbringen wolle, als Aufforderung, die Mitbenützung zu ermöglichen und damit als Widerspruch gegen die übermäßige Nutzung durch die Beklagte. Dies steht mit der oberstgerichtlichen Rsp in Einklang. Der vorliegende Sachverhalt bedarf keiner darüber hinausgehenden rechtlichen Erörterung.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten brachte die Klägerin mit ihrer Aufforderung im Jahr 2006 auch hinreichend deutlich einerseits ihren ernsthaften Mitbenützungswillen und andererseits ihr fehlendes Einverständnis mit der übermäßigen, weil alleinigen Nutzung durch die Beklagte zum Ausdruck. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten vermissten Feststellungen zur Reaktion der Beklagten auf diese Aufforderung sind rechtlich nicht von Relevanz. Die Beklagte bot der Klägerin vor März 2010 nie die Aushändigung eines Schlüssels an, sie betonte lediglich ihre Gesprächsbereitschaft, forderte die Klägerin zur Bekanntgabe konkreter Urlaubsvorschläge auf und knüpfte die Einräumung einer Möglichkeit zur Nutzung an von der Klägerin zu erfüllende Auflagen, wie beispielsweise die Beauftragung von Reparaturarbeiten. Die Beklagte übersieht hier, dass die Klägerin die auch in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft ohne Einverständnis der Beklagten nicht betreten konnte, sodass letztlich der Beklagten das alleinige Nutzungsrecht blieb.

 

Der Beklagten ist durchaus einzuräumen, dass die Vereinbarung einer Benützungsregelung sinnvoll wäre. Dass eine solche nicht zustandekam, stellt aber keinen Grund dafür dar, abweichend von der dargestellten Rsp den rückwirkenden Anspruch auf Benützungsentgelt (ab Widerspruch gegen die übermäßige Benützung) zu versagen.