29.07.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Betriebsübung (hier: Nachtstundenzuschläge)

Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften


Schlagworte: Betriebsübung, Nachtstundenzuschläge
Gesetze:

§ 863 ABGB, § 1152 ABGB

GZ 9 ObA 55/13y, 29.05.2013

 

OGH: Wenn der Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer eine betriebliche Übung begründet, die seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, wird diese Übung durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge. Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften. Die Frage, ob der Arbeitgeber durch die regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit der Arbeitnehmer eine Betriebsübung begründete, die zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wurde, kann stets nur anhand der konkreten Umstände begründet werden.

 

Die Beklagte gewährte dem Kläger rund acht Jahre lang 50%ige Nachtstundenzuschläge. Da die Lohnverrechnung der Beklagten im Zuge einer GPLA-Prüfung beanstandet wurde, nahm sie Änderungen der Lohnverrechnung vor und reduzierte einseitig die Zuschläge auf das im Kollektivvertrag für die „Nachtzulage“ vorgesehene Ausmaß von 1,35 EUR pro Stunde. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kläger durch betriebliche Übung einen vertraglichen Anspruch auf die Nachtstundenzuschläge erworben hat, ist vertretbar.

 

Die Beklagte hält dem entgegen, dass die „Nachtstundenzuschläge“ eine Pauschalposition dargestellt hätten, die etwa bei der Entgeltfortzahlung für Nichtleistungszeiten oder bei den Sonderzahlungen keine Berücksichtigung gefunden habe, während dies bei der nun gewährten Nachtzulage schon der Fall sei. Für den Kläger ergäbe sich daraus insgesamt nur eine Entgeltdifferenz von 30 EUR. Einem solchen Verständnis der Nachtstundenzuschläge steht allerdings entgegen, dass weder eine entsprechende Pauschalierungsvereinbarung getroffen wurde noch sonst Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Nachtstundenzuschläge nach dem Eindruck des Klägers als Pauschalposition verstanden werden konnten.

 

Die weiter relevierte Frage, ob es nicht ausreicht, im Rahmen der Lohnabrechnung die Auszahlungsdifferenz im Ergebnis sowie die Modalitäten der Lohnabrechnung darzustellen, stellt sich danach nicht, geht aber auch am festgestellten Sachverhalt vorbei.