12.08.2013 Zivilrecht

OGH: Belieferung mit Flüssiggas-Propan – Verbandsklage iZm Flüssiggas-Liefervereinbarung und Behälter-Nutzungsberechtigung auf Kautionsbasis

Ausführungen zu den einzelnen Klauseln


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Verbandsklage, Flüssiggas-Liefervereinbarung und Behälter-Nutzungsberechtigung auf Kautionsbasis, Superädifikate, Erhaltungspflicht
Gesetze:

§ 28 KSchG, § 6 KSchG, § 879 ABGB, § 297 ABGB, § 435 ABGB, § 1096 ABGB

GZ 7 Ob 90/13f, 19.06.2013

 

Die Beklagte bietet Verbrauchern die Belieferung mit Flüssiggas-Propan zur Deckung des gesamten Gasbedarfs an. Für Flüssiggaslieferungen wird ein bestimmter Preis per 100 Liter und ein bestimmter „ADR-Beitrag“ pro Lieferung vereinbart. Die Liefervereinbarung hat eine Laufzeit von einem Jahr und verlängert sich um jeweils sechs Monate, wenn sie nicht vom Kunden oder von der Beklagten zwei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Bei Beendigung der Liefervereinbarung - gleich aus welchem Grund - endet auch die Behälter-Nutzungsberechtigung. Nach Beendigung der Liefervereinbarung ist die Beklagte berechtigt, die in ihrem Eigentum stehenden Behälter abzubauen und wieder in Besitz zu nehmen.

 

Der Kunde hat die Vertragsformblätter, die die Überschrift „Flüssiggas-Liefervereinbarung und Behälter-Nutzungsberechtigung auf Kautionsbasis“ tragen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten, die Gegenstand dieses Verfahrens sind und die strittigen Klauseln enthalten, zu akzeptieren.

 

Zu den im Vertragsformblatt enthaltenen Klauseln:

 

„1. Der Kunde erwirbt durch Zahlung nachstehender unverzinslicher Kaution das Recht, einen Flüssiggasbehälter für unterirdische Lagerung mit einem Füllgewicht von ... kg einschließlich der unmittelbar zugehörigen Armaturen zu nutzen.

 

2. Die Nutzungsberechtigung erstreckt sich auf 12 Jahre, wobei in dieser Frist die P AG 8/12 der Kaution bei einer Nutzungsdauer bis 6 Jahre und die volle Kaution bei einer Nutzungsdauer über 6 bis 12 Jahre jeweils unter Abzug der entstehenden Kosten zurückzahlt, wenn der Behälter zurückgegeben wird.

 

3. Nach Ablauf der 12 Jahre wird 1/12 der Kaution pro Jahr für Nutzung berechnet, sodass der Kunde nach Ablauf von weiteren 12 Jahren den Behälter unentgeltlich benutzen kann, ohne jedoch Kautionsanspruch zu haben.

 

4. Der mit Nutzungsberechtigung zur Verfügung gestellte Behälter bleibt daher, auch wenn er mit der Liegenschaft des Kunden erd-, mauer-, niet- oder nagelfest verbunden ist, Eigentum der P AG

 

5. Die P AG verpflichtet sich für die Dauer der Nutzungsberechtigung die für den Flüssiggasbehälter gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Überprüfungen sowie eventuell erforderliche Instandhaltungsarbeiten zu veranlassen oder durchzuführen. Die dafür anfallenden Kosten, soweit die Arbeiten vom Kunden nicht selbst ausgeführt werden, sowie die Kosten für eine eventuelle spätere Rücknahme des Behälters trägt der Kunde.

 

6. Für alle Verträge über Flüssiggaslieferungen bei Behälterversorgung und alle uns vom Kunden erteilten Aufträge zur Lieferung von Flüssiggas gelten ausschließlich diese Bedingungen.“

 

 

OGH: Klausel 1, 2 und 3:

 

Mit dem Begriff „Kaution“ können ganz unterschiedliche Rechtsinstitute gemeint sein. So berechtigt die Barkaution den Kautionsnehmer, künftig entstehende Ersatzforderungen mit dem Rückforderungsanspruch des Kautionsgebers zu kompensieren, wobei das Kompensationsrecht grundsätzlich bis zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses besteht. Die aktorische Kaution (§ 57 ZPO) dient der Sicherstellung von Prozesskosten. Zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten dient die Kaution nach § 390 EO. Die Vereinbarung im Mietvertrag zu Gunsten des Vermieters, eine Kaution zu erlegen, wird als Deckungsfonds für dessen allfällige künftigen Forderungen angesehen. Diesen nur beispielsweise angeführten Rechtsinstituten ist gemein, dass eine Kaution idR zur Sicherstellung von Forderungen gegeben wird und, soweit sie nicht vereinbarungsgemäß für den Sicherungszweck in Anspruch genommen wird, zur Rückzahlung gelangt. Umgangssprachlich wird unter „Kaution“ überwiegend die Mietsicherheit verstanden, auf die der Vermieter zurückgreifen kann, wenn der Mieter seiner Miet- oder Schadenersatzpflicht nicht nachkommt.

 

In der Klausel 1 wird nun aber gegen die Zahlung der „Kaution“ das Recht zur Nutzung des Flüssiggasbehälters eingeräumt. Klausel 2 sieht bei einer Nutzungsdauer bis zu sechs Jahren die Rückzahlung von lediglich 8/12 der „Kaution“ vor, womit 4/12 der „Kaution“ für die Nutzung einbehalten werden. Lediglich nach einer Nutzungsdauer von 12 Jahren soll die volle „Kaution“ - unter Abzug von Kosten - zurückgezahlt werden. Nach der Klausel 3 wird nach Ablauf von 12 Jahren 1/12 der „Kaution“ pro Jahr für die Nutzung berechnet.

 

In den beanstandeten Klauseln steht damit die Zahlung der „Kaution“ als Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsberechtigung im Vordergrund. Es geht hier um das Entgelt zur Überlassung der Nutzung im Austauschverhältnis. Die Klauseln 1 bis 3 sind gem § 6 Abs 3 KSchG intransparent, weil die primär als Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsberechtigung geforderte Zahlung mit einem Begriff umschrieben wird, dem die Bedeutung einer Sicherstellung zukommt, womit der Entgeltcharakter der Zahlung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Damit kann sich der Verbraucher kein klares Bild von seiner Vertragsposition machen, wird doch durch die Verwendung des für die Sicherstellung gebräuchlichen Begriffs der Entgeltcharakter der Zahlung und damit der Umstand verschleiert, dass der Betrag - entgegen dem allgemeinen Verständnis - nach Vertragsbeendigung gerade nicht zur Rückzahlung gelangt.

 

Darüber hinaus gelangten die Vorinstanzen zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Klausel 2 auch deshalb intransparent ist, weil selbst bei der nach Ablauf von 12 Jahren vorgesehenen Rückzahlung der vollen Kaution der Abzug nicht näher bezeichneter Kosten vorgesehen ist, wobei völlig offen bleibt, zum Ersatz welcher Art Kosten der Verbraucher verpflichtet ist. Richtig ist auch, dass sich die Intransparenz der Klausel 3 weiters darauf erstreckt, dass unklar ist, ob - insbesondere im Hinblick auf den Verweis „ohne jeglichen Kautionsanspruch zu haben“ - der Kunde bei einer Vertragsdauer zwischen 12 und 24 Jahren einen Teil der „Kaution“ zurückerhält.

 

 

Klausel 4:

 

Zu einer Liegenschaft gehören nach § 297 ABGB grundsätzlich auch die darauf errichteten Gebäude (superficies solo cedit). Davon sieht das Gesetz Ausnahmen für Superädifikate (§ 435 ABGB) und für Räume und Bauwerke unter der Erdoberfläche (§ 300 ABGB) vor.

 

Maßgeblich für die Qualifikation eines Bauwerks als Superädifikat ist das Fehlen der Belassungsabsicht durch den Erbauer im Zeitpunkt der Errichtung, wobei auch unter der Erdoberfläche befindliche Bauwerke sonderrechtsfähig sein können. Das Fehlen der Belassungsabsicht kann sich aus der Beschaffenheit des Gebäudes, aus seinem Zweck oder aus anderen, die Rechtsverhältnisse zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer betreffenden Umständen ergeben. Auf die Möglichkeit der Entfernung ohne Substanzverlust kommt es anders als nach § 294 ABGB nicht an.

 

Richtig ging das Berufungsgericht auf Grund der vorliegenden Vertragsbestimmungen vom Fehlen einer Belassungsabsicht aus, wogegen sich die Klägerin auch nicht wendet. Der OGH qualifizierte in seiner Entscheidung 4 Ob 97/08f ausdrücklich ortsfeste Unterflurflüssiggastanks als unterirdische Superädifikate und bejahte deren Sonderrechtsfähigkeit. Damit kommt es auf eine allfällige Unwirtschaftlichkeit einer Trennung nicht an, sodass die Klägerin mit ihren Ausführungen, das Berufungsgericht hätte ohne Beweiswiederholung nicht davon ausgehen dürfen, dass der Unterflurtank nach Vertragsbeendigung ohne Probleme wieder ausgegraben werden könne, keinen rechtlich erheblichen Verfahrensmangel aufzeigt.

 

Zusammengefasst verstößt die Klausel 4 nicht gegen zwingendes Sachenrecht.

 

 

Klausel 5:

 

Die vorliegenden Vertragsbestimmungen regeln die Lieferung von Flüssiggas und die Überlassung von der Beklagten gehörenden Flüssigtanks gegen Zahlung einer „Kaution“ an den Kunden. Zu den Klauseln 1 bis 3 wurde bereits dargelegt, dass diese Zahlung nach der Textierung tatsächlich Entgelt für die Einräumung des Nutzungsrechts an den Flüssigtanks darstellt, wobei eine Einmalzahlung im Voraus vorgesehen ist, deren allfällige (teilweise) Rückzahlung von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig ist. Der Liefervertrag der Beklagten enthält damit iZm der Nutzungsüberlassung jedenfalls Elemente eines Bestandvertrags.

 

Im Allgemeinen ist nach der Rsp des OGH bei gemischten Verträgen für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift heranzuziehen, das ist nach der sog Kombinationstheorie die Vorschrift jenes Vertrags, dem die entsprechende Pflicht entstammt.

 

Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass auf die Vertragsbestimmungen, die die Überlassung des Flüssiggastanks regeln, die bestandrechtlichen Regeln Anwendung finden.

 

Nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB trifft die Erhaltungspflicht den Bestandgeber. Die Regelung der Bestandgeberpflicht ist an sich nachgiebiges Recht. Es ist daher zulässig, dass der Bestandnehmer - soweit das Recht zur freien Zinsvereinbarung besteht - als (teilweise) Gegenleistung für die Benützung des Bestandgegenstands dessen Instandhaltung übernimmt.

 

Die Klausel 5 läuft darauf hinaus, dem Kunden die nach dem Gesetz vom Bestandgeber zu tragenden Instandhaltungskosten zu überbinden, wobei der Kunde aber im Hinblick darauf, dass die Beklagte die Instandhaltungsarbeiten durchführt oder veranlasst weder Einfluss auf die Art und den Umfang der Instandhaltungsarbeiten, noch auf die Höhe der damit einhergehenden Kosten nehmen kann. Diese Überbindung der Instandhaltungskosten weicht vom dispositivem Recht ab, ohne dass die Beklagte dafür einen sachlich gerechtfertigten Grund aufzeigt. Sie ist daher gröblich benachteiligend.

 

 

Klausel 6:

 

Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist beizutreten. Die Klausel erweckt beim Verbraucher den Eindruck, dass als Ergebnis von Vertragsverhandlungen individuell vereinbarten Bestimmungen durch allenfalls abweichende Bestimmungen in den AGB derogiert wird. Die Klausel ist bereits deshalb intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.