19.08.2013 Zivilrecht

OGH: Einem (nach § 55 EheG) geschiedenen Ehegatten kann in bestimmten „Härtefällen“ nach (§ 69b iVm) § 68a Abs 2 EheG ein Unterhaltsanspruch zustehen, wenn ihm aus den dort genannten Gründen nicht zugemutet werden kann, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten

Der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG ist nach dem konkreten Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten auszumitteln; dieser Unterhaltsanspruch hat insbesondere nicht den Zweck, den unterhaltsberechtigten Ehegatten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen


Schlagworte: Eherecht, Scheidung, Unterhalt, selbsterhaltungsfähig, Härtefalle
Gesetze:

§ 68a EheG, § 55 EheG, § 69b EheG

GZ 1 Ob 129/13x, 18.07.2013

 

OGH: Einem (nach § 55 EheG) geschiedenen Ehegatten kann in bestimmten „Härtefällen“ nach (§ 69b iVm) § 68a Abs 2 EheG ein Unterhaltsanspruch zustehen, wenn ihm aus den dort genannten Gründen nicht zugemutet werden kann, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten. In der von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel zitierten Entscheidung 7 Ob 2/04a vertrat der OGH die Ansicht, dass die (im damaligen Anlassfall) auf dem schlechten Gesundheitszustand der Unterhaltsberechtigten beruhende Unzumutbarkeit zwar ihre Wurzeln in der einvernehmlichen ehebedingten Lebensgestaltung haben müsse, ein Kausalzusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und der Ehe aber nicht erforderlich sei.

 

Nach dem Vorbringen der Klägerin beruhe der zu ihrer Erwerbsunfähigkeit führende Gesundheitszustand auf ihrer psychischen Erkrankung, die durch die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft bedingt gewesen sei. Sie sei der Doppelbelastung durch die Berufstätigkeit als Lehrerin und die Kinderbetreuung (körperlich behinderte Tochter; hypermotorischer Sohn) nicht gewachsen gewesen, sodass sie ihren Beruf aufgeben habe müssen und seit 1986 Berufsunfähigkeitspension beziehe. Zwar steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, das die Anwendung des § 68a Abs 2 EheG mit der Begründung verneinte, dass die Ursache für die Unterlassung einer weiteren Berufstätigkeit der Klägerin ab dem Jahr 1986 nicht die einvernehmliche Gestaltung der Ehegemeinschaft gewesen sei, sondern die krankheitsbedingte Berufsunfähigkeit, mit der zitierten Entscheidung nicht im Einklang, jedoch zeigt die Klägerin in der außerordentlichen Revision keine Umstände auf, die im Ergebnis zu einer Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen führen würden.

 

Der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG ist zunächst nach dem konkreten Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten auszumitteln. Dieser Unterhaltsanspruch hat insbesondere nicht den Zweck, den unterhaltsberechtigten Ehegatten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen. Reicht das Eigeneinkommen des potentiell Unterhaltsberechtigten zur Abdeckung seines konkreten Bedarfs aus, besteht nach § 68a EheG kein Unterhaltsanspruch.

 

Die Klägerin argumentiert zwar mit einem krankheitsbedingten Mehraufwand von monatlich 715 EUR im Jahr 2012, zeigt aber nicht näher auf, dass sie trotz ihrer Nettoeinkünfte nicht selbsterhaltungsfähig wäre. Sie bezog im Zeitraum, für den sie Unterhalt begehrt, eine monatliche Pension von zumindest 1.201 EUR (2004) bis zuletzt 1.419 EUR (2012). Dazu erhielt sie seit September 2004 eine monatliche Wohnbeihilfe (nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG) in unterschiedlicher Höhe zwischen etwa 26 EUR und 120 EUR, die sie sich ebenfalls als Eigeneinkommen anzurechnen hat. Seit Dezember 2005 bezieht die Klägerin Pflegegeld der Stufe 1 in der Höhe zwischen cirka 148 EUR und 154 EUR monatlich, das zwar nicht der Finanzierung des behinderungsbedingten Sachaufwands, jedoch des pflegebedingten Mehraufwands dient.

 

Das Erstgericht traf eingehende Feststellungen zu den Ausgaben der Klägerin im Zeitraum 2003 bis 2012. Selbst diese Aufwendungen erreichen mit Ausnahme des Jahres 2009 nicht die Höhe des Eigeneinkommens der Klägerin. Gegenteiliges legt sie in der Revision nicht dar. Im Jahr 2009 erhielt die Klägerin zwar nach den erstgerichtlichen Feststellungen eine Rechnung (richtig wäre: einen Heilkostenplan) betreffend Zahnkronen und Zahnbrücken über insgesamt 7.650 EUR, wobei nicht feststeht, dass sie diesen Betrag jemals zahlen musste. Sie behauptet selbst nur, dabei handle es sich um einen Kostenvoranschlag, und nicht, dass sie diese Zahnbehandlung überhaupt durchführen habe lassen. Berücksichtigt man weiters, dass der nach § 68a EheG zu ermittelnde Lebensbedarf nicht mit der Summe der individuellen monatlichen Aufwendungen gleichgesetzt werden kann, ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie krankheitsbedingt einen erhöhten Bedarf hat, nicht ersichtlich, dass ihr Lebensbedarf iSd § 68a Abs 1 EheG nicht schon durch ihr Eigeneinkommen abgedeckt wäre.