19.08.2013 Wirtschaftsrecht

OGH: Ankündigung von Zugaben als aggressive oder sonst unlautere Geschäftspraktik?

Befasst sich ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der eine dem Anlass angemessene - hier wegen der langfristigen Bindung an ein Versicherungsprodukt also hohe - Aufmerksamkeit aufwendet, näher mit dem Angebot, wird auch eine hochwertige Zugabe nicht dazu führen, dass er sich allein deswegen, also unter Ausschluss rationaler Erwägungen, für dieses Produkt entscheidet


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Ankündigung von Zugaben, aggressive / sonst unlautere Geschäftspraktik
Gesetze:

§ 1 UWG, § 1a UWG, § 2 UWG, § 9a UWG aF

GZ 4 Ob 100/13d, 18.06.2013

 

OGH: Wegen des abschließenden Charakters der „schwarzen Liste“ unzulässiger Geschäftspraktiken kann die Ankündigung von Zugaben nur mehr dann untersagt werden, wenn sie einen Tatbestand des Anhangs zum UWG erfüllt oder im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist; seit der Aufhebung von § 9a UWG mit dem Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 ergibt sich dies auch unmittelbar aus dem Gesetz. Dass ersteres zuträfe, hat der klagende Verband nicht behauptet; auf die Unterlassung einer irreführenden Geschäftspraktik (etwa durch unvollständige Angaben über das beworbene Versicherungsprodukt oder über die Folgen einer unterbliebenen Prämienzahlung) ist das Klagebegehren nicht gerichtet. Beides ist hier daher nicht weiter zu prüfen.

 

Das Vorliegen einer aggressiven oder sonst unlauteren Geschäftspraktik hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit vertretbarer Begründung verneint: Zwar ist richtig, dass eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers grundsätzlich schon darin liegt, sich mit dem Angebot eines Unternehmens näher zu befassen. Ein solches Befassen durch eine für den Fall des Vertragsabschlusses versprochene Zugabe zu veranlassen, ist jedoch an sich weder aggressiv noch - als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt - sonst unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 2 UWG. Befasst sich ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der eine dem Anlass angemessene - hier wegen der langfristigen Bindung an ein Versicherungsprodukt also hohe - Aufmerksamkeit aufwendet, näher mit dem Angebot, wird auch eine hochwertige Zugabe nicht dazu führen, dass er sich allein deswegen, also unter Ausschluss rationaler Erwägungen, für dieses Produkt entscheidet.

 

Weshalb das Angebot eines hochwertigen Mobiltelefons ein „billiger Trick“ sei und daher sehr allgemein gehaltenen Compliance-Vorschriften für Kreditinstitute widerspreche, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Die in diesem Zusammenhang ausführlich dargestellten Nachteile des Versicherungsprodukts - insbesondere die langfristige Bindung - sind für die Zulässigkeit der konkret bekämpften Zugabe unerheblich.