OGH: Raub ohne Anwendung von erheblicher Gewalt
Von einem Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt kann nicht gesprochen werden, wenn der Täter das erst 14-jährige Opfer wiederholt am Hals fasste, weil der Hals eine äußerst empfindliche Körperstelle ist
§ 142 StGB
GZ 12 Os 25/13p (12 Os 42/13p), 16.05.2013
Mit der Subsumtionsrüge kritisiert der Rechtsmittelwerber, dass das erkennende Gericht im Hinblick darauf, dass R den erst 14 jährigen L am Hals packte, ihn gegen die Wand drückte, mit einer brennenden Zigarette in Richtung dessen Auge fuhr, ihm androhte das Auge zu verbrennen und ihn gegen die Wand stieß, in der rechtlichen Beurteilung den Standpunkt vertrat, dass von erheblicher Gewalt auszugehen und eine Subsumtion unter § 142 Abs 2 StGB auszuschließen sei.
OGH: Gem § 142 Abs 2 StGB ist ein Raub privilegiert, wenn dieser ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts erfolgt, die Tat überdies unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub nach § 143 StGB handelt. Erhebliche Gewalt ist dann anzunehmen, wenn der Täter bei einem Angriff auf das Opfer beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht als geringfügig einzustufen ist. Ob dies zutrifft ist, nach einem objektiv individualisierenden (strengen) Maßstab unter Berücksichtigung aller konkreten Fallgegebenheiten, wie etwa auch des körperlichen Zustands des Angegriffenen, zu beurteilen.
Zusätzlich angewendete Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sind in diese Prüfung nicht einzubeziehen, weil sie die Anwendung der Privilegierung des § 142 Abs 2 StGB, die nur auf den Grad der bei der Tat geübten Gewalt abstellt, nicht ausschließen.
Gewalt ist jedoch nur gegeben, wenn die gegen den Körper des Opfers gerichtete physische Kraft dieses real trifft oder eine solche körperliche Wirkung unmittelbar bevorsteht, wobei bei letzterem für die Abgrenzung entscheidend ist, ob der Täter noch die Macht hat, die Realisierung der Gewalt zu verhindern oder diese körperlich wirksam werden zu lassen. Im Sinn der Beschwerdeargumentation trifft daher zu, dass die bloße Androhung weiterer körperlicher Gewalt mittels Führens einer brennenden Zigarette in Richtung Auge des Tatopfers keine Gewalt, sondern eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben darstellt. Die Gewaltausübung bestand vorliegend allerdings darin, dass der Nichtigkeitswerber das Opfer am Hals erfasste und gegen eine Wand drückte sowie in weiterer Folge zurückdrängte und es abermals an die Wand drückte, wodurch fallbezogen bereits beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt wurde, weil sich die fortgesetzte Gewaltanwendung auch gegen den Hals, somit gegen eine äußerst empfindliche Körperstelle des erst vierzehnjährigen Tatopfers, richtete und daher als erheblich einzustufen ist.