OGH: Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen?
Eine Einrichtung der Behindertenhilfe drang mit ihrer Klage gegen ein Bundesland nicht durch, und zwar mit dem Klagebegehren, das Land müsse für die Behindertenhilfe ein höheres, „angemessenes“ Entgelt bezahlen
§ 861 ABGB
GZ 4 Ob 134/12b, 17.12.2012
OGH: Das Steiermärkische Behindertengesetz (StBHG) sieht für Menschen mit Behinderung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen vor (§ 2 Abs 1). Träger von Einrichtungen, die Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung erbringen, können nur dann [ihre Leistungen mit dem Land] verrechnen, wenn das Land mit ihnen einen Vertrag abgeschlossen hat, wobei die Übernahme der Kosten in Form von Tagsätzen erfolgt (§ 43 Abs 4 StBHG).
Den vorgenannten Bestimmungen ist kein Rechtsanspruch von Trägern der Behindertenhilfe wie den Klägerinnen zu entnehmen, mit dem beklagten Land Verträge über die Direktverrechnung der von den Trägern erbrachten Leistungen, insbesondere mit einem bestimmten Inhalt, abzuschließen. Der OGH hat aber bereits mehrfach zu vergleichbaren Selbstbindungsgesetzen der öffentlichen Hand darauf verwiesen, dass für die Verneinung der Leistungspflicht der Hinweis auf die Regelung über den Mangel eines Rechtsanspruchs in einem Selbstbindungsgesetz nicht genügt. Es besteht vielmehr ein klagbarer Anspruch gegen die auf Grundlage eines Selbstbindungsgesetzes leistungspflichtige Gebietskörperschaft.
Im vorliegenden Fall weigert sich das beklagte Land aber gar nicht, mit den Klägerinnen in gleicher Weise und zu den gleichen Bedingungen wie mit den anderen Trägern der Behindertenhilfe Verträge über die Leistungsverrechnung abzuschließen. Insoweit können die Klägerinnen dem beklagten Land daher weder Willkür noch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorwerfen. Es würde hingegen dem Gleichbehandlungsgebot widersprechen, wäre das beklagte Land gerade gegenüber den Klägerinnen bereit, mehr für die von ihr in gleicher Art wie von anderen Trägern der Behindertenhilfe erbrachten Leistungen zu bezahlen als jenen Trägern, die bereits Verträge mit dem Land auf Basis des allen Trägern gemachten Anbots abgeschlossen haben.