OGH: § 55 JN – Zusammenrechnung mehrerer in einer Klage geltend gemachter Ansprüche
Keine Zusammenrechnung bei getrennten Unterlassungsansprüchen aus drei Wettbewerbsverstößen mit unterschiedlichen Sachverhalten
§ 55 JN, § 11 ZPO
GZ 4 Ob 161/16d [1], 30.08.2016
OGH: Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Rechtsmittelgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gegeben sind, ist nach den Klagebehauptungen (Antragsbehauptungen) zu beurteilen.
Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin auf drei Wettbewerbsverstöße der Beklagten (Nennung von Preisen, Häufigkeit von Inseraten, Werbung mit weiteren Leistungen), von denen noch zwei (Nennung von Preisen, Werbung mit weiteren Leistungen) Gegenstand des Revisionsrekurses sind. Daraus leitet sie mehrere voneinander getrennte Unterlassungsansprüche ab. Diese sind auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt, ein hinreichender rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang liegt nicht vor. Die Ansprüche sind daher nach § 55 Abs 1 JN nicht zusammenzurechnen. Damit hat das Rekursgericht über von einander getrennte Gegenstände entschieden, die gesondert zu bewerten sind. Falls eine Zusammenrechnung nicht zu erfolgen hat, ist ein Ausspruch iSd § 500 Abs 2 Z 1 ZPO über jeden einzelnen Anspruch gesondert zu tätigen. Soweit einzelne Ansprüche als Streitgegenstände einer Klage, über die das Berufungsgericht erkannte, nicht zusammenzurechnen sind, ist die Anrufbarkeit des OGH für jeden Anspruch gesondert zu prüfen.
Der Akt ist daher – worauf auch die Beklagten in ihrer (verfrühten) Revisionsrekursbeantwortung hinweisen – dem Rekursgericht mit dem Auftrag zu übermitteln, den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass die Teilbegehren gesondert bewertet werden, und gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 508 Abs 3 ZPO (hier iVm § 528 Abs 2a ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO) zu treffen.