OGH: Werkcharakter von Choreografien zu im Rahmen eines Unterhaltungsprogramms vorgetragenen Musiknummern
Soll eine Musiknummer durch das Ausdrucksmittel der Körpersprache im weiteren Sinn (also durch Bewegungen, Mimik, Gebärden, Gestik) auf der Bühne in einer individuell eigenartigen Weise dargestellt werden, die über das von der Lehre überlieferte oder auch durch neue Stilrichtungen vorgegebene Handwerk der Tanzkunst oder über die Verwendung gängiger Gebärden und Mimik hinausgeht, und werden dadurch Gedanken und Empfindungen zum Ausdruck gebracht, so fällt ein solcher festgelegter choreografischer Bewegungsablauf unter den urheberrechtlichen Werkbegriff
§ 1 UrhG, § 2 UrhG
GZ 4 Ob 216/07d, 22.01.2008
Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, die zu den Musiknummern der Show erstellte Choreografie sei urheberrechtlich nicht schutzfähig; vielmehr sei auch die für die Musikstücke geschaffene Choreografie eine eigentümliche geistige Schöpfung.
OGH: Zu den urheberrechtlich geschützten Werken zählen gem § 2 Z 2 UrhG auch Bühnenwerke, deren Ausdrucksmittel Gebärden und andere Körperbewegungen sind (choreografische und pantomimische Werke). Nach den Materialien sind es die "stumme Gebärde, das Mienenspiel, die Pose, der Tanz, kurz Körperbewegungen aller Art, sei es der Schauspieler, Mimiker, Tänzer oder etwa der von Menschenhand geleiteten Puppen", durch die die "dramatische Handlung sowie die Gedanken, Gefühle und Empfindungen ihrer Träger auf der Bühne zum Ausdruck gebracht werden". Der Schutz besteht unabhängig davon, ob parallel Musik- oder Sprachwerke aufgeführt werden; geschützt wird der Ausdruckstanz, das Ballett und das Puppenspiel durch die charakteristische und eigenschöpferische Abfolge der Körperbewegungen. Gegenstand des Werks ist die dahinterstehende gedankliche Gestaltung. Die Interpretenleistung, mit der diese zum Ausdruck gebracht wird, ist ihrerseits kein Werk, sondern durch das Leistungsschutzrecht für Interpreten geschützt. Die Choreografie zu den einzelnen Musiknummern einer Unterhaltungsshow ist kein Bühnenwerk im soeben beschriebenen Sinn, weil in ihnen keine durchgehende dramatische Handlung zum Ausdruck gebracht wird.
Auch das Ausdrucksmittel der Körpersprache im weiteren Sinn (also Bewegungen, Mimik, Gebärden, Gestik) kann eine eigentümliche geistige Schöpfung sein, sofern in ihr Gedanken und Empfindungen - in individuell eigenartiger Weise - zum Ausdruck gebracht werden. Schutzfähig ist in der Regel angesichts des geringen Gestaltungsspielraums nicht die einzelne Gebärde, sondern ein gesamter mimischer oder choreografischer Bewegungsablauf. Einzelne Tanzschritte und Tanzfiguren sowie das von der Lehre überlieferte oder auch durch neue Stilrichtungen vorgegebene Handwerk der Tanzkunst einschließlich Volks-, Gesellschafts- und Showtanz sind schutzlos; die Verwendung allgemein bekannter Tanzfiguren, gängiger Gebärden und Mimik als Ausdruck bestimmter Gedanken, Empfindungen oder Gefühle führt ebenso noch nicht zum Urheberrechtsschutz.