OGH: Klauseln iZm fondsgebundenen Lebensversicherungen
§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG
In seinem Erkenntnis vom 09.05.2007 zur GZ 7 Ob 23/07v hat sich der OGH mit Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung (AVB) befasst:
Klausel 1 (§ 4 Abs 1): Wir führen Ihren Beitrag, soweit er nicht zur Deckung unserer Abschluss- und Verwaltungskosten vorgesehen ist, entsprechend den mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen, den Anlagestöcken (§ 1 Abs 1) zu und rechnen ihn in Anteilseinheiten um.
Klausel 2 (§ 7 Abs 3): Bei Kündigung erstatten wir Ihnen - soweit bereits entstanden - den Rückkaufswert. Dieser entspricht dem Deckungskapital, bewertet mit dem Stichtag des nächsten durchgeführten Investitionstermines (Veräußerung der Fondsanlage), vermindert um die noch nicht getilgten Abschluss- und Verwaltungskosten des laufenden Versicherungsjahres.
Klausel 3 (§ 13 Abs 1): Unsere Leistungen überweisen wir dem Empfangsberechtigten auf seine Kosten. Bei Überweisungen in das Ausland trägt der Empfangsberechtigte auch die damit verbundene Gefahr.
Klausel 4 (§ 17): Die mit dem Abschluss Ihrer Versicherung verbundenen und auf Sie entfallenden Kosten, etwa die Kosten für Beratung, Anforderung von Gesundheitsauskünften und Ausstellung der Versicherungspolizze, werden nicht gesondert in Rechnung gestellt. Auf den Teil dieser Kosten, der bei der Bewertung der Deckungsrückstellung angesetzt wird, verrechnen wir nach einem aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren ihre ab Vertragsbeginn eingehenden Beträge, soweit diese nicht für Versicherungsleistungen und Verwaltungskosten vorgesehen sind.
Die Kunden bekommen nicht in allen Fällen eine schriftliche Ausfertigung diverser Angebote und eine entsprechende Rückkaufswerttabelle ausgehändigt. Durch eine Modellrechnung wird die Beitragszahlung über die gesamte Laufzeit berechnet. In diese Modellrechnung fließen verschiedene Faktoren wie Alter, Geschlecht und Höhe der Versicherungssumme ein. Daneben kommen besondere Umstände wie Krankheiten oder Gesundheitsschäden zum Tragen. Wesentliches Element stellt die angenommene durchschnittliche Performance der Sparbeiträge des Kunden dar. Die Modellrechnungen enthalten die Kapitalentwicklung ausgehend von verschiedener Fondsperformance. Aus einer Modellrechnung mit "Null-Verzinsung" kann zwar jederzeit die Höhe der abzuziehenden Kosten, welcher Teil der Prämie in welchem Jahr und welcher insgesamt der Veranlagung zugeführt wird und welchen sich die Beklagte einbehält, abgelesen werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Beiträge zur Deckung für das versicherte Risiko kalkuliert sind und was auf Kosten und Profit der Beklagten entfällt. Eine solche Modellrechnung soll laut Anweisung der Beklagten dem Kunden grundsätzlich vorgelegt und erläutert werden. Dies geschieht jedoch nicht in allen Fällen. Die Modellrechnung wird weder als integrierender Bestandteil der AGB noch des jeweils abgeschlossenen Versicherungsvertrages bezeichnet.
Zur Errechnung des Rückkaufswertes verwendet die Beklagte die Methode der Zillmerung der Abschlusskosten. Dadurch entstehen bei vorzeitiger Vertragsauflösung Nachteile, weil entweder gar kein oder ein im Verhältnis zu den bezahlten Prämien geringerer Rückkaufswert besteht. Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung kann die Höhe des dem Kunden in den einzelnen Jahren zustehenden Rückkaufswertes naturgemäß nicht dadurch festgelegt werden, dass die Rückkaufswertklausel auf eine Tabelle verweist, in der jeweils die garantierten Rückkaufswerte aufgelistet sind. Der Rückkaufswert ergibt sich aus der Summe der für den Kunden bis zur Kündigung mit seinen Beiträgen bereits angeschafften Anteilseinheiten am Fonds, deren jeweiliger Anschaffungs- und Verkaufskurs im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aber unvorhersehbar ist. Allerdings ist es möglich, jährlich die bis dahin bezahlte Beitragssumme und den Rückkaufswert bei einer Null-Prozent-Performance anzugeben.
Dazu der OGH: In der fondsgebundenen Lebensversicherung verpflichtet sich der Versicherer im Unterschied zur klassischen Lebensversicherung nicht zur Bezahlung einer vertraglich garantierten Versicherungssumme, sondern dazu, die vom Versicherungsnehmer (Kunden) bezahlten Prämien in Anteilseinheiten an - jeweils vereinbarten - Fonds umzurechnen und dem Kunden bei Vertragsablauf und im Ablebensfall sowie insbesondere auch im hier interessierenden Rückkaufsfall die insgesamt angesammelten Fondsanteile entweder zu übertragen oder mit ihren aktuellen Kurswerten abzulösen, wobei (ausschließlich) der Kunde das Veranlagungsrisiko trägt. Dass die Höhe der Rückkaufswerte in der fondsgebundenen Lebensversicherung maßgeblich von der "Fondsperformance" abhängt und daher nur prognostizierbar, nicht aber exakt vorhersehbar ist, entbindet den Versicherer nicht der Verpflichtung, die den Versicherungsnehmer treffende Gesamtkostenbelastung offen zu legen. Für den Versicherungsnehmer ist es bei der Auswahl der Lebensversicherung nicht von entscheidender Bedeutung, wie sich der von ihm für die Versicherung zu entrichtende "Preis" im Einzelnen zusammensetzt, also wie der Versicherer intern kalkuliert, das heißt was auf Abschluss-, Verwaltungs- und sonstige Kosten, auf die Deckung des versicherten Risikos des Ablebens und den Unternehmergewinn entfällt. Der Versicherungsnehmer muss aber - anhand standardisierter Tabellen (etwa "Modellrechnungen" mit "O-Performance") - nachvollziehen können, welcher Teil der Prämie "veranlagt" wird, also was dem Deckungsstock zum Ankauf von Wertpapieren zufließt. Stellt doch die Verpflichtung, mit (einem Teil der) von den Versicherungsnehmern entrichteten Versicherungsprämien Wertpapiere anzukaufen und den entsprechenden Teil der Prämie in Fondsanteile umzurechnen, die Hauptleistungsverpflichtung der Beklagten dar. Wird dem einzelnen Versicherungsnehmer nicht klargelegt, welcher Teil der Prämie veranlagt wird und wie sich der Rückkaufswert gestaltet, behält sich der Versicherer - wie hier die Beklagte in den Klauseln 1.), 2.) und 4.) - ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor. Demnach ist die Gesamtkostenbelastung für den Versicherungsnehmer transparent darzustellen. Selbst wenn die Gesamtkostenbelastung im Hinblick auf die Unsicherheit der Fondsperformance allenfalls - wie die Beklagte behauptet - nicht von vornherein in absoluten Zahlen festgesetzt und bekannt gegeben werden könnte, wäre die Beklagte iSd Transparenzgebotes des § 6 Abs 3 KSchG verpflichtet, sie oder vice versa den Sparanteil (die Rückkaufswerte) in Tabellenform als Prozentsatz der jeweiligen Höhe des Deckungskapitals festzulegen und mit dem Versicherungsnehmer zu vereinbaren. Das bereits in den klassische Lebensversicherungen betreffenden oberstgerichtlichen Entscheidungen gewonnene Ergebnis, der Versicherer habe iSd Transparenzgebotes gezillmerte Abschluss- und Verwaltungskosten, mit denen er den Versicherungsnehmer im Falle eines Rückverkaufes belasten will, dem Versicherungsnehmer entsprechend offen zu legen, ist auch für die fondsgebundene Lebensversicherung fortzuschreiben. Es ist kein Umstand erkennbar, wonach das betreffende Transparenzerfordernis in der fondsgebundenen Lebensversicherung nicht oder nur eingeschränkt gegeben wäre.
Im Übrigen wurde bereits ausgesprochen, dass auch die Ausfolgung einer Rückkaufswerttabelle (mit der Polizze) die betreffende Klausel mangels eines entsprechenden Verweises nicht transparenter mache; es müsse in der Klausel selbst auf eine Rückkaufswerttabelle und die wirtschaftlichen Nachteile einer vorzeitigen Kündigung verwiesen werden. Ein solcher Verweis auf eine Rückkaufswerttabelle und insbesondere auch auf eine Modellrechnung findet sich in den Klauseln 1, 2 und 4 aber nicht.
Klausel 3: Bei der in einem "beweglichen System" vorzunehmenden Beurteilung, ob eine in AGB oder in einem Vertragsformblatt enthaltene Bestimmung eine "gröbliche" Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt, hat sich der Rechtsanwender am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleiches zu orientieren. Nach stRsp kann ein Abweichen vom dispositiven Recht unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung sein, wenn sich dafür keine sachliche Rechtfertigung ins Treffen führen lässt, jedenfalls aber dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Die Beurteilung, ob die Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm sachlich gerechtfertigt ist, erfordert damit eine umfassende, die Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Interessenabwägung, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Diese in ständiger oberstgerichtlicher Judikatur vertretenen Grundsätze hat das Berufungsgericht zutreffend angewendet. Seine Rechtsmeinung, die Klausel 3 benachteilige die Versicherungsnehmer iSd § 879 Abs 3 ABGB, ist daher zu billigen.