OGH: Die (behauptete) Verletzung der Entscheidungspflicht der Behörde löst den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist ab jenem Zeitpunkt aus, ab dem für den Geschädigten erkennbar war, dass eine (positive) Entscheidung nicht getroffen wurde, obwohl diese pflichtgemäß zu treffen gewesen wäre
§ 6 Abs 1 AHG, § 1489 ABGB, § 73 AVG
In seinem Erkenntnis vom 03.05.2007 zur GZ 1 Ob 11/07k hat sich der OGH mit der Amtshaftung und der Verjährung befasst:
Den Bescheid, mit dem der Antrag des Klägers abgewiesen wurde, hob der VwGH wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf, wobei auf die Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung hingewiesen wurde. Der Kläger bringt vor, dass die Behörde nach Aufhebung des Bescheids keine positive Entscheidung erlassen bzw zuletzt einfach überhaupt nicht mehr entschieden habe.
Dazu der OGH: Bei fortgesetzter Schädigung beginnt für jeden weiteren Schaden eine neue Verjährung in jenem Zeitpunkt, in welchem der jeweilige Schaden dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt. Bei Schäden infolge fortgesetzten oder wiederholten Verhaltens ist jede einzelne Handlung oder Unterlassung für sich selbst Schadensursache, weshalb mit jeder weiteren Zufügung eines Schadens eine neue Verjährung in dem Zeitpunkt in Gang gesetzt wird, in welchem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt. Eine fortgesetzte Schädigung liegt etwa dann vor, wenn durch das Nichtbeseitigen eines gefährlichen oder das Aufrechterhalten eines rechtswidrigen Zustands Schäden hervorgerufen werden, oder wenn wiederholte schädigende Handlungen vorliegen, von denen jede den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung verkörpert und jede für sich Schadensursache ist. Ein fortgesetztes rechtswidriges Verhalten des Schädigers stellt regelmäßig ein Dauerdelikt dar, sodass mit jeder Schadenszufügung eine gesonderte Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt, in dem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt, in Gang gesetzt wird.
Dafür, das Unterlassen einer positiven Entscheidung insgesamt als eine "einzige schädigende Verhaltensweise" anzusehen, aus der sich fortlaufend gleichartige schädliche Folgen entwickelten, besteht kein Anlass. Ebensowenig kann die Auffassung des Berufungsgerichts geteilt werden, die Nichterlassung eines "Ersatzbescheides" und der damit verbundene Verstoß gegen die Entscheidungspflicht nach § 73 AVG sei nicht als ein eigenes (weiteres) schädigendes Verhalten anzusehen, weil es keinen zusätzlichen Schaden verursacht, sondern lediglich die Vergrößerung des schon ursprünglich eingetretenen Schadens nicht verhindert habe.
Nur für jene Schäden, die (allein) aus der Antragsabweisung resultierten, begann die Verjährungsfrist gem § 6 Abs 1 Satz 1 AHG mit Kenntnis des Erstschadens, keinesfalls aber vor Ablauf eines Jahrs nach Rechtskraft der rechtsverletzenden Entscheidung. Mit diesem Zeitpunkt begann auch die Verjährungsfrist für zukünftige Schadensfolgen, soweit diese allein auf diese Entscheidung zurückzuführen sind. Als weitere, voraussehbare Folgeschäden gehören dazu auch jene Nachteile, die bis zu jenem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem mit einer neuerlichen Entscheidung ("Ersatzbescheid") nach Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung gerechnet werden konnte; der VwGH hatte in seinem aufhebenden Erkenntnis ja die Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung konstatiert.
Damit, dass die Behörde auch nach der Aufhebung nicht unverzüglich entscheiden und dadurch weitere (vermeidbare) Nachteile verursachen würde, war vernünftigerweise nicht zu rechnen, sodass zur Vermeidung der Verjährung von Ansprüchen auf Ersatz durch das weitere Fehlverhalten zugefügter Nachteile eine Feststellungsklage innerhalb der durch das erste schädigende Ereignis ausgelösten Verjährungsfrist nicht zu verlangen war. Die (behauptete) Verletzung der Entscheidungspflicht löst somit neuerlich den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist ab jenem Zeitpunkt aus, ab dem für den Geschädigten erkennbar war, dass eine (positive) Entscheidung nicht getroffen wurde, obwohl diese pflichtgemäß zu treffen gewesen wäre. Die fortgesetzte Unterlassung stellt ein "Dauerdelikt" dar, weil sich die Behörde nach den Klagebehauptungen ab dem frühestmöglichen Entscheidungstermin ja jeden weiteren Tag durch ihre Untätigkeit neuerlich rechtswidrig verhalten hat. Deshalb stand für jeden daraus resultierenden Schaden ab seinem Bekanntwerden eine Frist von drei Jahren für die gerichtliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen offen.
Als "vorhersehbare Folgeschäden", für die die ursprüngliche Verjährungsfrist maßgeblich wäre, sind daher nicht solche Teilschäden zu beurteilen, die durch eine in einem späteren Verfahrensstadium pflichtgemäß zu treffende positive Entscheidung vermieden worden wären; für diese läuft die Verjährungsfrist erst ab Kenntnis der durch dieses neuerliche Fehlverhalten entstandenen (neuen) Schäden. Wurde die ursprünglich schädigende Fehlentscheidung aufgehoben, muss der Geschädigte regelmäßig nicht damit rechnen, dass die Schadenszufügung durch weitere Fehlentscheidungen bzw gar durch pflichtwidrige Untätigkeit "prolongiert" wird. Er ist daher auch nicht gehalten, derartige, durch nachfolgendes pflichtgemäßes Verhalten vermeidbare Folgeschäden schon innerhalb der Verjährungsfrist für den (ursprünglichen) Primärschaden mit Feststellungsklage geltend zu machen. Anderes gilt hingegen für jene Schäden, die bis zu jenem Zeitpunkt eingetreten sind, zu dem pflichtgemäß eine neuerliche Entscheidung zu fällen gewesen wäre. Diese wurden allein durch das ursprüngliche Fehlverhalten verursacht; sie waren auch von vornherein für den Geschädigten vorhersehbar.