27.09.2007 Zivilrecht

OGH: Das Unterbleiben der Aufklärung über unterschiedlich hohe Rückfallraten von alternativen Behandlungsmethoden führt nicht dazu, dass der belangte Arzt nach einer lege artis gewählten und durchgeführten Behandlung den Beweis erbringen müsste, dass es auch bei jener Behandlungsmethode zu einem Rückfall gekommen wäre, die nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung gewählt worden wäre


Schlagworte: Schadenersatzrecht, ärztliche Aufklärungspflicht, unterschiedlich hohe Rückfallraten
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

In seinem Erkenntnis vom 07.08.2007 zur GZ 4 Ob 137/07m hat sich der OGH mit der ärztlichen Aufklärungspflicht befasst:

OGH: Grundlage für die Haftung eines Arztes oder Krankenhausträgers wegen Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch die Behandlung eingegriffen wird. Der Patient muss in die konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen, Voraussetzung für seine sachgerechte Entscheidung ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt. Die Aufklärung soll den Patienten instand setzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen. Ist der Eingriff nicht dringlich, muss der Arzt den Patienten auch auf allenfalls bestehende Behandlungsalternativen hinweisen. Dabei sind Vorteile und Nachteile, verschiedene Risiken, verschieden starke Intensitäten der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen.

Da es nach den Feststellungen der Vorinstanzen verschiedene Methoden des Wundverschlusses gibt, die unterschiedliche Rückfallquoten aufweisen, aber auch mit unterschiedlich langer Arbeitsunfähigkeit und unterschiedlichem Nachbehandlungsaufwand verbunden sind, musste der aufklärende Arzt den Kläger auch darüber informieren. Denn nur so hätte der Kläger Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden miteinander abwägen und zusammen mit dem aufklärenden Arzt eine verantwortete Entscheidung treffen können. Wurde der Patient nicht ausreichend aufgeklärt, so ist die Behandlung grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn der Eingriff selbst - wie hier - medizinisch indiziert war und lege artis durchgeführt wurde.

Es mag zwar zutreffen, dass die mangelhafte Aufklärung auch unabhängig vom später erfolgten Eingriff gegen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verstieß. Das kann aber nicht dazu führen, dass durch eine Umkehr der Beweislast im Ergebnis eine Haftung für den (letztlich) ausbleibenden Erfolg eines lege arte erfolgten Eingriffs begründet wird. Denn selbst bei einem Behandlungsfehler im engeren Sinn hat der Patient zu beweisen, dass der von ihm geltend gemachte Schaden dadurch verursacht wurde. Der Kläger bleibt dafür beweispflichtig, dass eine andere Behandlungsmethode tatsächlich zum Ausbleiben eines Rückfalls geführt hätte. Eine bloß höhere Wahrscheinlichkeit kann diesen Beweis auch bei wertender Betrachtung nicht ersetzen. Ob unter besonderen Umständen ein Prima-facie-Beweis möglich wäre, kann hier mangels Vorliegens solcher Umstände offen bleiben. Weisen Methoden, die einen Patienten in vergleichbarer Weise belasten, deutlich verschiedene Rückfallraten auf, so wird die Wahl einer unsicheren Methode ohnehin oft auch ein Kunstfehler sein.