OGH: Zulässigkeit der vertraglichen Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter
Grundsätzlich ist der Mieter nicht verpflichtet, ein Bestandobjekt neu ausgemalt oder neu versiegelt zurückzustellen; § 1109 ABGB stellt allerdings dispositives Recht dar, sodass eine anders lautende Vereinbarung zulässig ist
§ 1109 ABGB, MRG
GZ 10 Ob 79/07a, 09.10.2007
Punkt Siebentens des Mietvertrags lautet: "Die Mieterin übernimmt das Mietobjekt im neuwertigen Zustand (neu ausgemalen und neu versiegelte Parkettböden, Beleuchtungskörper, Markisen). Die Mieterin übernimmt die Verpflichtung, den Mietgegenstand während der gesamten Vertragsdauer auf ihre Kosten ohne Anspruch auf Ersatz in dem übernommenen Zustand zu erhalten und nach Beendigung des Mietvertrages in demselben Zustand (neue Malerei und Neuversiegelung des Bodens) zurückzustellen. Hiezu obliegt es dem Vermieter unwiderruflich allenfalls erforderliche Reparaturmaßnahmen durchzuführen."
Nach dreijähriger Benützungsdauer hat die beklagte Partei - nach der von ihr ausgesprochenen Kündigung - das Mietobjekt an die klagende Partei zurückgestellt, ohne es neu ausmalen und die Parkettböden versiegeln zu lassen. Die klagende Partei könne für die Abnützung des Bestandobjekts durch dessen vertragsmäßigen Gebrauch keinen Ersatz begehren. Punkt Siebentens des Mietvertrages sei sittenwidrig, weil dadurch die Erhaltungspflicht des Vermieters auf den Mieter überwälzt werde.
OGH: Anzuknüpfen ist an § 1109 Satz 1 ABGB, wonach der Bestandnehmer die Bestandsache nach Beendigung des Bestandverhältnisses "dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er sie übernommen hat" zurückzustellen hat. Nach der Rechtsprechung muss der Bestandnehmer jedoch nicht für die durch den vertragsgemäßen Gebrauch bewirkte Abnutzung des Bestandgegenstandes aufkommen. Grundsätzlich ist somit der Mieter nicht verpflichtet, ein Bestandobjekt neu ausgemalt oder neu versiegelt zurückzustellen. § 1109 ABGB stellt allerdings dispositives Recht dar, sodass eine anders lautende Vereinbarung zulässig ist. Das gilt im Vollanwendungsbereich des MRG jedenfalls soweit, als nicht Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 MRG betroffen sind. So wurde in der Entscheidung 7 Ob 594/93, die ebenfalls den Vollanwendungsbereich des MRG betraf, ausdrücklich eine Vereinbarung, die den Mieter nach Mietvertragsende zum Neuausmalen verpflichtete, für zulässig erachtet.
Auch wenn man zugrunde legt, dass die Übernahme der hier zu beurteilenden Ausmal- und Versiegelungspflicht funktionell eine Mietzinsleistung des Mieters darstellt, die sich daher an den gesetzlichen Mietzinsobergrenzen messen lassen muss, ist für die beklagte Partei nichts gewonnen: Dass durch die Übernahme der - ziffernmäßig bestimmbaren - Ausmal- und Versiegelungspflicht Mietzinsobergrenzen (hier: angemessener Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG) überschritten worden wären, wurde gar nicht behauptet.
Die Tatsache, dass die beklagte Partei den Mietgegenstand neu ausgemalt und versiegelt übernahm, rechtfertigt das Interesse des Vermieters, das Objekt in eben diesem Zustand zu übernehmen, um es ohne weitere Verzögerungen und Kosten wieder neu zu vermieten können. Die bloße Abweichung der Vereinbarung von der dispositiven Bestimmung des § 1109 ABGB - die erst durch die Rechtsprechung entgegen ihrem Wortlaut berichtigend dahin ausgelegt wurde, dass der Bestandgeber die "normale" Abnutzung hinzunehmen hat - begründet noch keine Sittenwidrigkeit. Die von der beklagten Partei übernommene Ausmal- und Versiegelungspflicht ist somit als zulässig zu beurteilen. Kommt aber der Bestandnehmer seiner Verpflichtung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nicht nach, ist der Bestandgeber berechtigt, den Ersatz der Kosten der Herstellung dieses Zustandes zu verlangen.