22.05.2008 Zivilrecht

OGH: Scheidung aus Verschulden gem § 49 EheG - die Unaufklärbarkeit der Gründe, aus denen ein Ehegatte aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist, geht zu seinen Lasten

Der verlassene Ehegatte muss im Hinblick auf die Eheleute treffende Pflicht zu gemeinsamem Wohnen nur das Verlassen der Ehewohnung und die Rückkehrablehnung beweisen


Schlagworte: Familienrecht, Scheidung aus Verschulden, Beweislast, Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft
Gesetze:

§ 49 EheG, § 90 ABGB, § 92 ABGB

GZ 3 Ob 188/07d, 30.01.2008

Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten die Scheidungsklage ab. Da der Scheidungskläger nach § 49 EheG das Vorliegen schwerer Eheverfehlungen zu beweisen habe, wäre es Sache des Klägers gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass das Verlassen der Ehewohnung durch die Beklagte ohne triftige Gründe erfolgt sei. Dieser Beweispflicht sei der Kläger nicht nachgekommen.

OGH: Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet. Ausnahmen von dieser Regelung enthalten § 92 Abs 2 ABGB und Vorschriften der EO. Dies bedeutet, dass in einem Scheidungsverfahren nach § 49 EheG der verlassene Partner nicht behaupten und beweisen muss, die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft sei ohne rechtfertigenden Grund erfolgt. Die Unaufklärbarkeit der Gründe, aus denen die Beklagte aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist, geht daher zu ihren Lasten. Nach einhelliger Rechtsprechung rechtfertigen nur besonders schwere Eheverfehlungen die Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft durch den anderen Teil. Der Kläger musste im Hinblick auf die Eheleute treffende Pflicht zu gemeinsamem Wohnen nur das Verlassen der Ehewohnung und die Rückkehrablehnung der Beklagten beweisen. Sie hätte hingegen den Beweis für jene Tatsachen zu erbringen, aus denen sie die Unzumutbarkeit eines Verbleibs in der gemeinsamen Wohnung oder der Rückkehr dorthin auf Ersuchen des Klägers ableiten will. Die Negativfeststellung in diesem Zusammenhang (sie fühlte sich bedroht, Tätlichkeiten konnten nicht festgestellt werden, ein Strafverfahren wegen Morddrohung wurde eingestellt) ließe es nicht zu, die Rechtfertigung einer Ausnahme von der Pflicht zum gemeinsamen Wohnen anzunehmen. Dies müsste zur Klagestattgebung (Scheidung aus dem Verschulden der Beklagten) führen. Auf ein allenfalls den Kläger treffendes Mitverschulden konnte mangels entsprechender Einwendung der Beklagten nicht Rücksicht genommen werden.