01.01.2009 Zivilrecht

OGH: Stellvertretung - keine Zurechnung der vom Makler beauftragten Rechtsanwältin zum Vermieter

Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäftes zu erwecken


Schlagworte: Stellvertretungsrecht, Anscheinsvollmacht, Fehlen von Umständen die Dritte auf eine Vollmacht vertrauen lassen könnten
Gesetze:

§§ 1002 ff ABGB

GZ 1 Ob 161/08w, 30.09.2008

Die Klägerin bediente sich einer Vermittlungsmaklerin zur Vermietung eines Bestandobjekts. Als sich eine GmbH für die Anmietung interessierte, beauftragte die Maklerin eine Rechtsanwältin mit der Erstellung eines Mietvertragsentwurfs. Dieser enthielt eine Bestimmung, wonach die Mieterin berechtigt ist, die Mietrechte abzutreten oder das Mietobjekt zur Benützung an Dritte zu überlassen bzw unterzuvermieten, wenn der Verwendungszweck nicht geändert wird. Die Rechtsanwältin erläuterte dem Geschäftsführer der GmbH die Wirkung dieser Klausel derart, dass damit nicht nur eine einmalige, sondern eine mehrfache Weitergabe der Mietrechte zulässig sei. Der Vertrag enthielt weiters eine Bestimmung, nach der Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und mündliche Nebenabreden als nicht getroffen gelten. Der Vertrag wurde zwischen der Klägerin und der GmbH geschlossen.

Die GmbH trat ihre Mietrechte in der Folge an die Beklagte ab. Diese übertrug die Mietrechte ohne Zustimmung der Klägerin an einen Dritten. Die Klägerin kündigte nun das Mietverhältnis der Beklagten gegenüber gerichtlich auf und berief sich im Wesentlichen darauf, es sei lediglich ein einmaliges Weitergaberecht vereinbart worden, das durch die Weitergabe seitens der GmbH an die Beklagte ausgeübt worden sei. Die neuerliche Weitergabe von der Beklagten an den Dritten sei rechts- und vertragswidrig, weshalb der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG verwirklicht sei.

OGH: Selbst wenn man unterstellen wollte, dass der Geschäftsführer der ersten Mieterin (GmbH) darauf vertraute, dass die vertragserrichtende Rechtsanwältin bzw der Geschäftsführer der Maklerin über ausreichende Vertretungsmacht der Klägerin zur Empfangnahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen bzw zur Aushandlung von Vertragsbedingungen verfügte, fehlt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts an (der Behauptung von) Umständen, aus denen sich die Herbeiführung eines entsprechenden Rechtsscheins durch die Klägerin ableiten ließe. Die bloße Betrauung eines Vermittlungsmaklers mit der Suche nach Mietinteressenten wäre kein ausreichender Zurechnungsgrund dafür, bei Dritten einen dem Vermieter zurechenbaren Anschein dahin zu erwecken, der Makler - oder ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt - sei berechtigt, namens des Vermieters Vertragsbedingungen auszuhandeln, die auch dann gelten sollen, wenn sie im schriftlichen Mietvertrag keinen Niederschlag finden.

Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin, spielt es daher für die Zurechnung auch keine Rolle, ob die Klägerin den von der Rechtsanwältin erstellten Vertragsentwurf für in Ordnung befunden hat, weil damit nur eine Zustimmung zum objektiven Inhalt des Entwurfs zum Ausdruck gebracht wurde. Einer solchen Zurechnung steht gerade im vorliegenden Fall darüber hinaus auch die Schriftformklausel in Punkt 6.4 des Mietvertrags entgegen, nach der Nebenabreden als nicht getroffen gelten, wenn sie nicht schriftlich vereinbart sind. Damit bringt der Vermieter mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass er nur an den schriftlich fixierten Vertragstext gebunden sein will und allenfalls mit Vertragsverhandlungen befassten Dritten keine Befugnis eingeräumt hat, vom schriftlichen Text abweichende oder über diesen hinausgehende Zusagen zu machen bzw mündliche Erklärungen als Empfangsbote der Klägerin entgegenzunehmen.