08.01.2009 Zivilrecht

OGH: AHG - keine Pflicht der Baubehörde kompetenzfremde Normen (zB ArbeitnehmerschutzG) zu vollziehen

Ein Bauwerber darf nach Erhalt einer Baubewilligung ausschließlich darauf vertrauen, die Baubehörde habe sein Vorhaben in baurechtlicher Hinsicht für zulässig erklärt; eine Aussage dazu, ob das Vorhaben sonstigen Vorschriften öffentlich - oder privatrechtlicher Natur (etwa Arbeitnehmerschutzvorschriften) entspricht, ist aus der Baubewilligung nicht abzuleiten


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Amtshaftung, Baurecht, Gesetzgebungskompetenz des Landes, steiermärkisches Baugesetz, Arbeitnehmerschutz, Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Bindung hoheitlichen Handelns an ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, keine Pflicht der Baubehörde kompetenzfremde Normen zu vollziehen
Gesetze:

§ 1 AHG, §§ 1295 ff ABGB

GZ 1 Ob 64/08f, 16.09.2008

In einem neu errichteten Gebäude verbot ein Vertreter des Arbeitsinspektorats wegen zu geringer Raumhöhe und fehlender Sichtverbindung ins Freie die Fortführung des Küchenbetriebs. Der Versicherer jenes Architekten, der mit der Planung, Erarbeitung der Baugenehmigung sowie der Bauaufsicht des Neubaus betraut war, verlangt aus dem Titel der Amtshaftung anteilige Kosten der erforderlichen Umbauarbeiten. Der Bürgermeister der beklagten (steirischen) Gemeinde hätte bei genauem Studium der Einreichpläne weder eine Baugenehmigung noch eine Benützungsbewilligung für das Gebäude erteilen dürfen.

OGH: Mangels Kompetenz der Baubehörde zur Vollziehung von Bundesrecht kann eine Baubewilligung wegen Widerspruchs zu den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung nicht versagt werden, sobald die rechtlichen und technischen Bauvorschriften des jeweiligen Landes erfüllt sind. Bezieht die Baubehörde dennoch kompetenzfremde Tatbestände in ihre Entscheidung ein, handelt sie nicht in Vollziehung der Gesetze iSd Art 18 Abs 1 B-VG.

Ein Bauwerber darf nach Erhalt einer (hier: nach dem stmk BauG erteilten) Baubewilligung ausschließlich darauf vertrauen, die Baubehörde habe sein Vorhaben in baurechtlicher Hinsicht für zulässig erklärt, weil es mit den von ihr wahrzuhabenden Vorschriften übereinstimmt bzw diese Übereinstimmung durch gleichzeitig angeordnete Auflagen herbeigeführt wurde. Eine Aussage dazu, ob das Vorhaben sonstigen Vorschriften öffentlich- oder privatrechtlicher Natur entspricht, ist aus einer Baubewilligung nicht abzuleiten. Hat die Baubehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens andere Gesetze als das Baugesetz nicht zu vollziehen, ist das Vertrauen eines Bauwerbers nicht schutzwürdig, die Baubehörde hätte (dennoch) andere Gesetze oder Verordnungen - wenngleich ohne normative Grundlage - "mitvollzogen".