29.01.2009 Zivilrecht

OGH: Ist bei laufenden, mit dem 2,5fachen des Regelbedarfs limitierten Unterhaltsleistungen Sonderbedarf nur bei einem Deckungsmangel zuzusprechen oder wird dieser unter der Voraussetzung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ohne Rücksicht auf einen Deckungsmangel gewährt?

Erhält der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb Unterhaltsbeiträge, die nicht der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechen, weil er schon die Luxusgrenze erreicht hat, muss der Sonderbedarf dann zusätzlich zugesprochen werden, wenn seine Deckung dem Unterhaltspflichtigen angesichts dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zumutbar ist


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, Sonderbedarf, Regelbedarf, Luxusgrenze, zumutbar
Gesetze:

§ 140 ABGB

GZ 6 Ob 230/08d, 06.11.2008

Unstrittig ist, dass die Unterhaltszahlungen des Vaters unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Kindesmutter die Familienbeihilfe bezieht, jeweils dem 2,5fachen Durchschnittsbedarf der Kinder entsprechen. Die Kinder beantragen, den Vater zur Leistung eines Sonderbedarfs für kieferorthopädische Behandlungen von 1.279,10 EUR für Anna und von 739,55 EUR für Nikolaus zu verpflichten.

OGH: Dass die Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung regelmäßig Sonderbedarf sind, entspricht stRsp.

Nach stRsp hat die Abgeltung eines Sonderbedarfs Ausnahmecharakter. Seine Berücksichtigung findet regelmäßig nur bei einem "Deckungsmangel" statt. Ein Deckungsmangel liegt dann vor, wenn der Sonderbedarf nicht aus der Differenz zwischen dem bereits festgesetzten, den Allgemeinbedarf deckenden Unterhalt und dem Regelbedarf bestritten werden kann. Erhält jedoch der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb Unterhaltsbeiträge, die nicht der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechen, weil er schon die Luxusgrenze erreicht hat, muss der Sonderbedarf nach neuerer Rechtsprechung des OGH zusätzlich zugesprochen werden, weil bei einer solchen Konstellation das Argument der nicht zu billigenden Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten ins Leere ginge. Leistungen aus dem Titel des Sonderbedarfs sind nämlich zweckbestimmt und stehen nicht zur freien Verfügung des Unterhaltsberechtigten. Der Zuspruch von Sonderbedarf zusätzlich zu einer die "Luxusgrenze" erreichenden Unterhaltsleistung setzt aber auch voraus, dass seine Deckung dem Unterhaltspflichtigen angesichts dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zumutbar ist.

Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, kann der begehrte Sonderbedarf nur dann zusätzlich zu den monatlichen Unterhaltsbeiträgen zugesprochen werden, wenn der insgesamt zu leistende Betrag dem hier unterhaltspflichtigen Vater angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse zumutbar ist.