19.03.2009 Zivilrecht

OGH: Verbandsklage nach § 28 KSchG iZm einer Änderungsvereinbarung

Ist im Rahmen eines Verbandsprozesses gem § 28 KSchG zu beurteilen, ob eine (formularmäßige) Vereinbarung, mit der bestehende Verträge abgeändert werden, die Rechtsposition der betroffenen Vertragspartner in ungerechtfertigtem Ausmaß verschlechtert, unterliegt nicht nur die Änderungsvereinbarung selbst, sondern auch der ursprüngliche Vertrag den im Verbandsprozess anzuwendenden Auslegungsregeln; ist danach eine bestimmte Klausel (hier: eine Zinserhöhungsklausel einer Bausparkasse) wegen ihrer Unausgewogenheit (Einseitigkeit) unwirksam, kann sich der klagende Verband nicht darauf berufen, dass sich bei einer einzelvertraglichen Betrachtung für zahlreiche Vertragsverhältnisse im Wege ergänzender Auslegung eine andere Rechtsfolge ergäbe, aus der eine Bedenklichkeit der Änderungsabrede folge


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Verbandsklage, Änderungsvereinbarung
Gesetze:

§ 28 KSchG

GZ 1 Ob 188/08s, 16.12.2008

OGH: Für die Auslegung von Vertragsbestimmungen in einem Verbandsprozess nach § 28 KSchG gelten andere Grundsätze als für die Auslegung - derselben oder anderer Vertragsinhalte - bei der Beurteilung im Rahmen eines "Individualprozesses". Da die Verbandsklage der Durchsetzung des allgemeinen Interesses dient, gesetz- und sittenwidrige Vertragsbestimmungen aus dem geschäftlichen Verkehr zu ziehen und die gesetzlichen Bestimmungen in der Geschäftspraxis effektiv durchzusetzen, ist nach herrschender Judikatur Maßstab für die Beurteilung einer Vertragsbestimmung daher regelmäßig die für den Kunden ungünstigste mögliche Auslegung, mag auch eine kundenfreundlichere Interpretation denkbar sein. Diese Auslegungsgrundsätze haben auch zur Anwendung zu kommen, wenn die Frage zu beurteilen ist, ob ein in einem bestehenden Vertragsverhältnis von einem Unternehmer abgegebenes Angebot zur Vertragsänderung unzulässige Bestimmungen enthält. Um dies beurteilen zu können, reicht es in der Regel nicht aus, nur das Vertragsänderungsangebot für sich oder gar nur die konkrete Klausel zu betrachten. Vielmehr ist es meist unerlässlich, vorher den Inhalt des ursprünglichen Vertrags durch Auslegung zu ermitteln.

Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann es aber nicht in Betracht kommen, bei der (vorangehenden) Auslegung der ursprünglichen Vereinbarung von den sonst im Verbandsprozess geltenden Grundsätzen abzugehen und dabei zu einem Auslegungsergebnis zu gelangen, das nur durch Anwendung der im konkreten einzelnen Rechtsverhältnis heranzuziehenden Auslegungsregeln gewonnen werden könnte. Steht nach den Auslegungsgrundsätzen des Verbandsverfahrens fest, dass eine bestimmte Vertragsklausel unwirksam ist und daher aus dem Vertrag "herauszufallen" hat, kann nicht gleichzeitig geprüft werden, ob sie bei individueller Beurteilung einzelner Rechtsverhältnisse nicht vielleicht in einer gewissen Anzahl von Fällen doch Bestand haben könnte, was weiters dazu führen könnte, dass sie in diesen Vertragsverhältnissen im Wege ergänzender Vertragsauslegung um weitere Regelungen zu ergänzen wäre, sodass insgesamt letztlich eine ausgewogene Vertragslage in diesen Einzelverträgen bestünde. Richtigerweise kann stets nur das gesamte Vertragsverhältnis - bzw der (potenzielle) Einfluss einer punktuellen Vertragsänderung auf dieses - nach einem einheitlichen Auslegungskonzept beurteilt werden.