OGH: Zu § 1330 ABGB
Allgemeine Ausführungen
§ 1330 ABGB
GZ 6 Ob 218/08i, 15.01.2009
OGH: Der OGH hat in der zu § 1330 ABGB ergangenen Entscheidung 4 Ob 71/06d ausgeführt, auch die Anwendung der Unklarheitenregel sei am Grundrecht der Meinungsfreiheit zu messen; liege die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, müsse die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben. In den (wettbewerbsrechtlichen) Entscheidungen 4 Ob 98/07a und 4 Ob 236/07w ergänzte der 4. Senat diese Rechtsprechung dahin, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit es ausschließe, eine entferntere, bloß mögliche Deutung der beanstandeten Formulierungen zur Ermittlung des für ihre rechtliche Beurteilung relevanten Tatsachenkerns heranzuziehen.
§ 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen, also ihre Personenwürde (Abs 1) und ihren Ruf (Abs 2). Abs 1 sanktioniert Ehrenbeleidigungen, die zugleich Tatsachenbehauptungen sein können, Abs 2 hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile. Das Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Daher dürfen auch Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, nicht schrankenlos geäußert werden; allerdings sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt. Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Die Ermittlung ihres Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, abhängt. Dabei ist außerdem die stRsp zu berücksichtigen, wonach bei Politikern die Grenzen erheblich weiter gezogen werden als bei Privatpersonen. Der Politiker muss ein größeres Maß an Toleranz zeigen, und zwar insbesondere dann, wenn er selbst öffentlich Ankündigungen tätigt, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen.