23.02.2010 Zivilrecht

OGH: Zur Anspannung auf ein fiktives Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils

Keinesfalls kann der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens, der nicht durch besondere, vom Unterhaltspflichtigen zu behauptende und beweisende berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen ist, zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder gehen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, Anspannung, fiktives Einkommen, Erbe
Gesetze:

§ 140 ABGB

GZ 1 Ob 240/09i, 15.12.2009

Das Erstgericht erhöhte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die 1997 und 1999 geborenen Kinder ab 1. 1. 2008 auf 418 EUR bzw 352 EUR. In die Unterhaltsbemessungsgrundlage bezog es zusätzlich zu dem jährlichen Nettoeinkommen von 18.400 EUR, das der Vater als Lehrer im Jahr 2008 erzielte, eine fiktive jährliche Nettorendite von rund 8.000 EUR ein, die der Vater bei konservativer Veranlagung aus einem ererbten Vermögen von mindestens 204.000 EUR (das er tatsächlich in die Aufnahme einer Schafzucht investierte) erzielen könnte.

OGH: Zur Unterhaltsbemessungsgrundlage zählen fiktive Erträgnisse eines - auch im Erbweg erworbenen - Vermögens, die der Unterhaltspflichtige bei möglichst erfolgversprechender Anlage des Kapitals zumutbarerweise erzielen kann. Für die Anspannung auf ein tatsächlich nicht erzieltes Einkommen genügt die leicht fahrlässige Herbeiführung des Einkommensmangels, indem der Unterhaltspflichtige zumutbare Einkommensbemühungen unterlässt. Maßstab ist stets das Verhalten eines pflichtbewussten Elternteils in der Lage des Unterhaltspflichtigen. Auch eine Anspannung über den Regelbedarf hinaus ist grundsätzlich zulässig, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Keinesfalls kann der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens, der nicht durch besondere, vom Unterhaltspflichtigen zu behauptende und beweisende berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen ist, zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder gehen.

Die vom Vater selbst stammende Einschätzung, er könne frühestens nach Ablauf von 5 Jahren "allenfalls mögliche" monatliche Einkünfte von 1.000 EUR aus der Schafzucht mit 110 Tieren erzielen, stellt sich im Vergleich zu der von den Vorinstanzen angenommenen jährlichen Rendite nicht als optimale Verwertung des ererbten Vermögens dar, zwingt sie doch die unterhaltsberechtigten Kinder für den Zeitraum von 5 Jahren zu einer bescheideneren Lebensführung und das ohne Garantie auf eine zukünftige Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters. Was die Höhe des fiktiven Zinsertrags bei konservativer Veranlagung betrifft, so handelt es sich dabei um eine Tatsachenfeststellung, die den OGH auch im Außerstreitverfahren bindet. Dass das Erstgericht die Höhe der Nettoverzinsung (rund 3,92 % jährlich) ohne Ermittlungsverfahren festgestellt hat, wurde im Rekurs des Vaters als Verfahrensmangel gerügt. Dieser, vom Rekursgericht verneinte Mangel des Verfahrens erster Instanz stellt - abgesehen von einer in diesem Unterhaltsverfahren nicht relevanten Einschränkung (Wahrung des Kindeswohls) - keinen Revisionsrekursgrund dar.