OGH: Spielerschutz iSd § 25 Abs 3 GSpG - zur Problematik der schadenersatzrechlichen Privilegierung der Spielbank
Der OGH hegt Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs 3 GSpG
§§ 1295 ff ABGB, § 25 Abs 3 GSpG
GZ 2 Ob 252/09m, 25.03.2010
OGH: Beim Ersatzanspruch des Spielteilnehmers wegen erlittener Verluste gem § 25 Abs 3 GSpG handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch aus Verschulden, der nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Sorgfaltsverstoß eintritt und darüber hinaus alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegenüber der Spielbank iZm der Gültigkeit des Spielvertrags oder mit Verlusten aus dem Spiel abschließend regelt.
Betragsmäßige Haftungsbegrenzungen sind im Privatrecht im Bereich der Gefährdungshaftung geläufig (vgl zB §§ 15 und 16 EKHG, § 151 LFG). Eine gesetzliche betragsmäßige Beschränkung der Haftung aus Verschulden - sei es bei Vertragsverletzungen, sei es bei Verletzung von Schutzgesetzen - besteht dagegen grundsätzlich nicht. In den Fällen der Gefährdungshaftung sind darüber hinaus die absoluten Haftungshöchstbeträge von beträchtlicher Höhe.
Die Einschränkung der Haftung in § 25 Abs 3 GSpG auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz und darüber hinaus betragsmäßig auf das Existenzminimum bevorzugt den Konzessionsnehmer nach diesem Gesetz gegenüber allen übrigen Schädigern, die Schutzgesetze verletzen. Dies widerspricht dem in Art 7 B-VG normierten Gleichheitsgrundsatz. Eine Differenzierung wäre nur bei sachlicher Rechtfertigung zulässig.
Innerstaatlich mag der Gesetzgeber zwar nicht gezwungen sein, eine bestimmte Regelung zu treffen oder bestimmte Sachverhalte einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Das bedeutet aber nicht, dass, wenn er sich dennoch dazu entschließt, dies in willkürlicher, dem Gleichheitssatz oder sonstigen Verfassungsgarantien widersprechender Weise erfolgen darf. Auch der Gesetzgeber ist - unter Berücksichtigung seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums - durch den Gleichheitssatz dazu verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen, sodass nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zulässig sind.
Mit der Entscheidung 1 Ob 214/98x wurde erstmals § 25 Abs 3 GSpG 1989 beurteilt, als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB anerkannt und ausgesprochen, dass es sich dabei um eine besondere Form des Verbraucherschutzes handle, mit der insbesondere die Gefahren existenzgefährdenden (pathologischen) Glücksspiels eingedämmt werden sollten und weiters darauf hingewiesen, dass das GSpG nicht bloß den Schutz öffentlicher Interessen bezwecke, sondern zumindest auch den Schutz der (Vermögens-)Interessen des einzelnen Spielers mitverfolge. Auch in 1 Ob 175/02w wurde insbesondere auf die Gefahren existenzgefährdenden Glücksspiels hingewiesen und ausdrücklich dargelegt, dass mit dieser Vorschrift ein Spieler, der unter Nachweis seiner Identität in der Spielbank Zutritt finde, dagegen geschützt sei, dass seine wirtschaftlichen und damit auch seine sozialen und familiären Grundlagen zerstört werden. Auch der Entscheidung 2 Ob 136/06y ist zu entnehmen, dass der OGH "existenzbedrohend" nicht iSd Existenzminimumverordnung oder der Regelungen der EO zum Existenzminimum, sondern allgemeiner im Sinne einer Störung der wirtschaftlichen, sozialen und familiären Grundlagen gesehen hat. Eine Beschränkung nur auf die Gefährdung des konkreten Existenzminimums wurde keineswegs zum Ausdruck gebracht.
Mag auch die Sorgfaltspflicht des Spielcasinobetreibers nach § 25 Abs 3 GSpG erst dann einsetzen, wenn begründete Annahme besteht, dass aufgrund der Häufigkeit und Intensität der Teilnahme am Spiel das Existenzminimum des Spielers gefährdet sein könnte, ist es deshalb noch lange nicht sachlich gerechtfertigt, auch die Höhe des Ersatzes bei Verstoß gegen die ohnehin erst spät einsetzende Sorgfaltspflicht mit dem Existenzminimum zu beschränken. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Situation eine Sorgfaltspflicht einsetzt, ist streng von jener zu trennen, in welcher Höhe Ersatz für den Fall ihrer Verletzung zu leisten ist.
Durch die Beschränkung des Ersatzes auf das Existenzminimum nach der EO wird eine Gefährdung der Unterhaltspflicht vielfach die zwangsläufige Folge sein. Bedenkt man, dass "pathogene" Spieler häufig nicht nur ihr eigenes Einkommen ihrer Spielsucht opfern, sondern darüber hinaus Schulden eingehen - vgl nur im vorliegenden Fall das Vorbringen des Klägers, er habe rund 400.000 EUR von seinem Dienstgeber veruntreut, um seine Spielsucht zu finanzieren - wird klar, dass eine Beschränkung des Ersatzes auf das Existenzminimum letztlich entweder dazu führt, dass dem Spieler und seinen unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern "auf ewig" nur das Existenzminimum bleibt, oder er den Ausweg einer Entschuldung - in Österreich zB eines Schuldenregulierungsverfahrens - sucht. Gerade in diesem Fall würden aber auch rückständige Unterhaltspflichten bis auf die auszuzahlende Quote gekürzt und blieben daher den Berechtigten vorenthalten.
Bedenkt man, dass Spielbankenbetreiber auch insofern schadenersatzrechtlich privilegiert sind, als sie ohnehin nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haften, ergibt sich, dass die Beschränkung auf die Haftung nur bis zur Höhe des Existenzminimums auch bei gröbster Fahrlässigkeit ja sogar bei Vorsatz zum Tragen kommt. Damit wird die schadenersatzrechtliche Position des Spielers weit über das im bürgerlichen Recht geltende übliche Maß hinaus verkürzt.
Der im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu findende rechtliche Ausgleich zwischen dem Spielerschutz und fiskalpolitischen Interessen ist damit nicht gewahrt. Zwar schreibt das Gesetz hinreichende Sorgfaltspflichten für den Spielbankenbetreiber vor, ihre Verletzung wird aber im Unterschied zu anderen Haftpflichtigen schadenersatzrechtlich nur geringfügig geahndet und daher kein Anreiz geschaffen, große Sorgfalt anzuwenden. Damit wird auch der Grundsatz der Effektivität der Regelung verlassen, der wiederum in gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine Rechtfertigung für die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten darstellt.
Auch besteht ein großer Unterschied in der Haftungsintensität zwischen Spielverlusten und anderen Schäden, die den Spieler im Zuge eines Spielcasinobesuchs ereilen können. Stürzt er etwa in den Räumlichkeiten des Spielcasinos, gebührt ihm bei Verschulden des Casinopersonals Schadenersatz ohne jegliche Beschränkung. Verliert dagegen der Spieler, der aufgrund grober Fahrlässigkeit des Casinopersonals am Spiel teilnimmt, sein gesamtes Vermögen und hätte dieser Schaden durch entsprechende Sorgfalt vermieden werden können, steht ihm ein Ersatz nur in Höhe des Existenzminimums zu - obwohl sein Schaden sich noch dazu in einer entsprechenden Einnahme des Haftpflichtigen widerspiegelt. Die Einführung einer derart niedrigen Haftungsgrenze verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot und verleitet auch dazu, die Verhaltensregelungen, die zu Gunsten suchtkranker Spieler im Gesetz aufgestellt wurden, zu unterlaufen. Aus all diesen Erwägungen hegt der OGH Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Regelung in § 25 Abs 3 GSpG.