27.05.2010 Zivilrecht

OGH: Provisionsvereinbarungen für die Vermittlung von Lebensversicherungen - analoge Anwendung von § 176 Abs 5 und 6 VersVG auf Vermittlungsgebührenvereinbarungen zwischen Vermittler und Versicherungskunde (Nettopolizzensystem)?

Die Bestimmungen des § 176 Abs 5 und 6 VersVG sind nur auf die Bruttopolizze anwendbar


Schlagworte: Versicherungsrecht, Lebens- / Rentenversicherungen, Provisionsvereinbarung, Bruttopolizze, Nettopolizze
Gesetze:

§ 176 VersVG

GZ 7 Ob 13/10b, 17.03.2010

Die Beklagte übt das Gewerbe des Versicherungsmaklers aus. Sie tritt bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen und Beratung in Versicherungsangelegenheiten regelmäßig auch mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt. Unter anderem vermittelt sie fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen. In den Vertragsformblättern findet sich folgende Bestimmung:"Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit dieser Vermittlungsgebührenvereinbarung vom Versicherungsvertrag ist der Kunde zur Zahlung der Vermittlungsgebühr auch im Falle der Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags verpflichtet. Die Vermittlungsgebühr ist jedoch bei wirksamer Anfechtung oder Aufhebung des Versicherungsvertrags infolge eines berechtigten Rücktritts nicht geschuldet."

Die Klägerin vertritt die Ansicht, § 176 Abs 5 und 6 VersVG stellten (nur) deshalb eindeutig auf das System der Bruttopolizze (wonach die den Maklern zustehende Provision nicht vom Kunden, sondern vom Versicherer bezahlt wird) ab, weil dem Gesetzgeber das System der Nettopolizze nicht bekannt gewesen sei oder er keine Notwendigkeit gesehen habe, diese Variante in seine Überlegungen miteinzubeziehen.

OGH: Im Hinblick auf die von Fenyves dargestellte Entwicklung in Deutschland und angesichts der das System der Nettopolizze auch in Österreich ermöglichenden Bestimmung des § 30 Abs 1 erster Satz MaklerG ist dem österreichischen Gesetzgeber nicht zuzusinnen, die betreffende Problematik entweder nicht erkannt oder eine Bezugnahme auch auf das System der Nettopolizze in § 176 Abs 5 und 6 VersVG für entbehrlich gehalten zu haben. Vielmehr ist der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts beizutreten, der Gesetzgeber habe (wohl in Kenntnis des Systems der Nettopolizze) nur eine Regelung für das Bruttopolizzensystem treffen wollen und es seien daher mangels einer planwidrigen Lücke die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben. Überzeugend wird vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch dargelegt, dass es nach den Gesetzesmaterialien dem Gesetzgeber primär um die Verbesserung der Rückkaufswerte gegangen ist. Darauf weist auch hin, dass nach den Gesetzesmaterialien die Regelung durch eine, dem Versicherungsnehmer zum Ausgleich der anteilig gekürzten Provision "vertraglich aufoktroyierte", Konventionalstrafe nicht umgangen werden darf. Im Nettopolizzensystem, das sich durch höhere Transparenz auszeichnet und bei dem keine Gefahr für die Versichertengemeinschaft und potentielle Versicherungsnehmer besteht, wirkt sich die Vermittlungsgebühr aber auf den Rückkaufswert an sich nicht aus. Ein in Frühstornofällen aus Sicht der Verbraucher auch beim System der Nettopolizze wünschenswerte Aliquotierung der Provisionen muss dem Gesetzgeber überlassen bleiben.