03.06.2010 Zivilrecht

OGH: § 364 Abs 2 ABGB - Lärmentwicklung von motorisch betriebenen Gartengeräten bei nicht für diese Geräte vorgesehenem Betrieb und aggressives überraschendes wiederholtes und andauerndes Schreien

Dass die tatsächliche Abgrenzung der den allgemeinen Gepflogenheiten entsprechenden Gartenbetreuung unter Geräteeinsatz von bloß der Lärmerzeugung dienenden Veranstaltungen im Einzelfall schwierig sein mag, ändert nichts daran, dass ein Liegenschaftsnachbar iSd von den §§ 364 ff ABGB angestrebten Interessenausgleichs iSd friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn zwar den mit dem Einsatz heute üblicher Gartengeräte bei zweckentsprechender Verwendung verbundenen Lärm ebenso dulden muss wie gelegentliche Wahrnehmungen menschlicher Stimmen, nicht aber den Geräteeinsatz zur Lärmerzeugung oder wiederholtes aggressives und andauerndes Schreien


Schlagworte: Abwehr unzulässiger Immissionen, Ortsüblichkeit, motorisch betriebene Gartengeräte, aggressives überraschendes wiederholtes und andauerndes Schreien, Wiederholungsgefahr, Dritte
Gesetze:

§ 364 Abs 2 ABGB

GZ 4 Ob 9/10t, 23.02.2010

OGH: Das Untersagungsrecht nach § 364 Abs 2 ABGB besteht dann, wenn die auf den betroffenen Grund wirkenden Einflüsse einerseits das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen und zugleich die ortsübliche Benutzung dieser Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen, wobei die örtlichen Verhältnisse in beiden Belangen zu beachten sind. Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die Frage, ob eine Immission (noch) als ortsüblich zu beurteilen ist, ist nicht allein aufgrund rein empirischer Ergebnisse, sondern auch anhand normativer Wertungen zu prüfen; die Ortsüblichkeit ist somit auch ein wertungsabhängiger Rechtsbegriff. Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und der Zweckbestimmung des beeinträchtigten Grundstücks (hier: für Wohnzwecke und Kindergarten) abhängig ist. Maßgeblich ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet.

Die dem Berufungsurteil zu Grunde liegende Rechtsansicht, dass die Lärmentwicklung von motorisch betriebenen Gartengeräten bei nicht für diese Geräte vorgesehenem Betrieb, also zum Zweck der Lärmentwicklung, ebenso wenig ortsüblicher Liegenschaftsnutzung entspricht wie aggressives überraschendes wiederholtes und andauerndes Schreien, wodurch eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung des Nachbargrundstücks herbeigeführt wird, bildet keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dass die tatsächliche Abgrenzung der den allgemeinen Gepflogenheiten entsprechenden Gartenbetreuung unter Geräteeinsatz von bloß der Lärmerzeugung dienenden Veranstaltungen im Einzelfall schwierig sein mag, ändert nichts daran, dass ein Liegenschaftsnachbar iSd von den §§ 364 ff ABGB angestrebten Interessenausgleichs iSd friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn zwar den mit dem Einsatz heute üblicher Gartengeräte bei zweckentsprechender Verwendung verbundenen Lärm ebenso dulden muss wie gelegentliche Wahrnehmungen menschlicher Stimmen, nicht aber den Geräteeinsatz zur Lärmerzeugung oder wiederholtes aggressives und andauerndes Schreien.

Die Unterlassungsklage nach § 364 Abs 2 ABGB setzt voraus, dass eine Wiederholung der unzulässigen Immission zu erwarten ist; hat sich der Beklagte bereits rechtswidrig verhalten, so ist zu vermuten, dass er sich auch in Zukunft nicht an das Gesetz halten werde. Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Sie ist daher auch anzunehmen, wenn der mit der Unterlassungsklage Belangte sein Unrecht nicht einsieht. Die Annahme, dass das Einschalten von Gartengeräten primär zum Zweck der Lärmerzeugung - so die getroffenen Feststellungen - deren Gebrauch zu betriebsfremden Zwecken ganz allgemein befürchten lässt, bildet gleichfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

Für die Begründung der Haftung nach § 364 Abs 2 ABGB ist nicht erforderlich, dass der Nachbar selbst die störende Handlung setzt. Verursacht sie ein anderer, so wird die Haftung des Grundnachbarn dann als gerechtfertigt erachtet, wenn er die Einwirkung duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und dazu auch im Stande gewesen wäre. Die Unterlassungspflicht schließt auch die Verpflichtung in sich, auf solche Dritte iSd Unterlassung einzuwirken, auf welche der zur Unterlassung Verpflichtete Einfluss zu nehmen in der Lage ist.

Das besondere im Eigentumsschutz übliche Unterlassungsbegehren ist kein Handlungsverbot, sondern ein "Erfolgsverbot"; bei Erfolgseintritt wird aus ihm nach § 355 EO vollstreckt, um den Verpflichteten zu einem - der Art nach ihm zu überlassenden - Handeln zu zwingen, das bewirken soll, dass die verbotene Immission unterbleibt.