OGH: Unterliegen Emissionsbedingungen von Bankschuldverschreibungen der AGB-Kontrolle?
Auch die Emissionsbedingungen von Bankschuldverschreibungen unterliegen der AGB-Kontrolle
§ 864a ABGb, § 879 Abs 3 ABGB, KSchG
GZ 7 Ob 15/10x, 17.03.2010
Die Beklagte, sie ist Emittentin von Bankschuldverschreibungen, bringt vor, dass Emissionsbedingungen keine AGB seien und daher nicht der AGB-Kontrolle unterlägen. Während AGB regelmäßig auch Nebenbestimmungen enthielten, sei in Emissionsbedingungen typischerweise nur die Beschreibung der Hauptleistungspflichten enthalten. Die Revisionswerberin beruft sich dazu auf Assmann, Anleihebedingungen und AGB-Recht, WM 2005, 1053 (1054), der die Meinung vertritt, dass der Kontrollansatz des (deutschen) AGB-Rechts auf Anleihebedingungen im Besonderen und auf Bedingungen von Kapitalmarktpapieren im Allgemeinen nicht passe.
OGH: Diese Ansicht stellt allerdings, wie der BGH in der Entscheidung XI ZR 363/04 dargestellt hat, lediglich eine Mindermeinung dar, während die in Deutschland ganz herrschende Meinung (siehe die zahlreichen Nachweise in der genannten Entscheidung) Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen als AGB iSd § 1 Abs 1 Satz 1 AGBG ansieht. Dem ist auch für den österreichischen Rechtsbereich beizupflichten. Was unter den Begriffen "Allgemeine Geschäftsbedingungen" und "Vertragsformblätter" zu verstehen ist, hat der österreichische Gesetzgeber nicht definiert. Im Hinblick auf eine teleologische Verwandtschaft zwischen dem Anliegen des deutschen AGBG einerseits und dem KSchG andererseits wird nach herrschender Meinung eine Orientierung an § 305 BGB (ehemals § 1 AGBG) für angezeigt erachtet. Wie in Deutschland sind daher auch in Österreich unter AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Ausgehend von dieser Definition hat der OGH in den Entscheidungen 7 Ob 262/02v und 10 Ob 34/05f, die jeweils die Bedingungen von Genussrechte iSd § 174 AktG verbriefenden Gewinnscheinen zum Gegenstand hatten, die Anwendung der AGB-Kontrolle auf die Ausgabebedingungen dieser Wertpapiere bejaht. Auch im österreichischen Schrifttum werden die Bedingungen für die Emission von Wertpapieren als AGB qualifiziert. Da entgegen der Ansicht der Revisionswerberin zwischen den Emissionsbedingungen von Genussscheinen und jenen von Bankschuldverschreibungen kein grundsätzlicher, für die Frage der Anwendung der AGB-Kontrolle wesentlicher, Unterschied besteht, müssen auch die hier gegenständlichen Emissionsbedingungen der Beklagten den auch sonst für AGB geltenden Vorschriften des ABGB (§§ 864a, 879 Abs 3) und des KSchG unterliegen. Der Einwand der Beklagten, der Kläger sei nicht aktiv klagslegitimiert und die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil die Anleihebedingungen nicht der AGB-Kontrolle unterlägen, ist daher nicht zutreffend.