21.10.2010 Zivilrecht

OGH: Detektivkosten - zur Frage, ob zum Nachweis, dass sich der Ehestörer des Eingriffs bewusst gewesen ist, der Anscheinsbeweis zulässig ist, sowie zur Erkundigungspflicht des Ehestörers

In Bezug auf das Wissen des Dritten beim Ehebruch von der Ehe seines Geschlechtspartners liegt regelmäßig kein Beweisnotstand vor, der die Anwendung des Anscheinsbeweises rechtfertigt; der Ehestörer hat nur bei seiner Kenntnis von der Ehe seines Sexualpartners die Detektivkosten zu ersetzen; die Freiheit der Menschen, ihre Beziehungen zueinander zu gestalten, wäre übermäßig eingeschränkt, wollte man jedem, der sich einer anderen Person partnerschaftlich annähern und allenfalls in intimen Kontakt mit ihr treten will, Erkundigungspflichten über ihren Familienstand abverlangen


Schlagworte: Familienrecht, Schadenersatzrecht, Ehestörer, Detektivkosten, Anscheinsbeweis, Erkundungspflicht
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 272 ZPO

GZ 2 Ob 111/10b, 08.07.2010

Der Kläger begehrt vom Beklagten den Ersatz von aufgewendeten Detektivkosten mit der Begründung, er habe sich durch das Verhalten seiner damaligen Ehegattin genötigt gesehen, zum Zweck der Aufklärung, ob sie eine außereheliche Beziehung unterhalte, ein Detektivunternehmen einzuschalten.

Der Kläger führt aus, ihm sei ein Beweis, dass der Beklagte schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Dektektivunternehmens vom aufrechten Bestand der Ehe gewusst habe, unmöglich. Ein Beweismittel für den Wissensstand des Beklagten gebe es nicht. Kenntnisse und Wissensstände seien nämlich innere Tatsachen, die nicht unmittelbar bewiesen werden könnten, sondern es müsse mit Hilfe von Erfahrungssätzen auf sie geschlossen werden.

OGH: Der Anscheinsbeweis ist nur zulässig, wenn eine typisch formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht; er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen. Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist.

Der Revisionswerber lässt nicht erkennen, aufgrund welcher bewiesenen Tatsache es eine typisch formelhafte Verknüpfung mit dem zu beweisenden Umstand, dass der Beklagte von der Ehe der Frau wusste, geben soll. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die aber nicht revisibel ist.

Überdies liegt regelmäßig kein derartiger Beweisnotstand vor, der Voraussetzung für die Anwendung des Anscheinsbeweises wäre. Die zahlreichen einschlägigen Entscheidungen, belegen, dass häufig das Wissen des Dritten von der Ehe seines Geschlechtspartners festgestellt werden konnte.

Nach stRsp hat der Ehestörer unabhängig vom Erfolg einzelner Beobachtungen all jene Detektivkosten zu ersetzen, die der in seinen Rechten verletzte Ehegatte nach objektiven Maßstäben für notwendig ansehen konnte, um sich über das Verhalten seines Ehepartners Gewissheit zu verschaffen. Ein derartiger Schadenersatz gegen den Dritten ist nur bei seiner Kenntnis von der Ehe seines Sexualpartners zu bejahen.

In der Entscheidung 4 Ob 52/06k hat der OGH ausgeführt, eine Nachforschungspflicht des Dritten (über besondere Vereinbarungen zwischen den Ehegatten, wie sie ihre Beziehungen zu dritten Personen gestalten) sei im Interesse der allgemeinen Handlungsfreiheit zu verneinen. Denn es entspräche weder der gesellschaftlichen Realität noch der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen, Dritten die Pflicht aufzuerlegen, vor engeren, dh "freundschaftlichen" Kontakten mit einer verheirateten Person nachzufragen, ob diese Kontakte aufgrund der konkreten Gestaltung des ehelichen Verhältnisses möglicherweise als ehewidrig anzusehen sein könnten oder nicht. Die Verantwortung für die Beurteilung dieser Frage treffe grundsätzlich nur jenen Ehegatten, der diese Kontakte aufnehme. Er müsse wissen, was er seinem Ehepartner zumuten könne, und er habe dafür sowohl auf scheidungs- als auch auf schadenersatzrechtlicher Ebene einzustehen. Eine Haftung des Dritten sei auf dieser Grundlage weder angemessen noch notwendig.

Ebenso ist es primär Pflicht des Verheirateten, ehestörende oder ehebrecherische Verhältnisse hintanzuhalten. Die Freiheit der Menschen, ihre Beziehungen zueinander zu gestalten, wäre übermäßig eingeschränkt, wollte man jedem, der sich einer anderen Person partnerschaftlich annähern und allenfalls in intimen Kontakt mit ihr treten will, Erkundigungspflichten über ihren Familienstand abverlangen.

Ob bei deutlichen Indizien dafür, dass der andere verheiratet ist, den Dritten eine solche Erkundigungspflicht trifft, kann dahingestellt bleiben, weil hier für den Beklagten derartige deutliche Indizien für den Ehestand der Frau im Observierungszeitraum nicht vorlagen.