OGH: Können freiwillige Leistungen zur Pensionsvorsorge die Unterhaltsbemessungsgrundlage schmälern?
Da die staatliche Pensionsversicherung die Funktion der Existenzsicherung im Alter noch nicht aufgegeben hat und grundsätzlich nur existenzsichernde Ausgaben von der Bemessungsgrundlage abzugsfähig sind, stellen Beiträge zur privaten Pensionsvorsorge im Allgemeinen weiterhin keine Abzugspost dar
§ 140 ABGB, § 94 ABGB
GZ 8 Ob 75/10b, 18.08.2010
OGH: Nach stRsp zählen zu dem als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann. Ausgenommen sind nur solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen. Zahlungen zu Zwecken der Vermögensbildung schmälern die Bemessungsgrundlage im Allgemeinen nicht. Dies gilt etwa für Zahlungen auf Bausparverträge oder Lebensversicherungen. Eine Abzugspost bilden im Allgemeinen nur solche tatsächlichen Aufwendungen, die der Sicherung des Einkommens bzw der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen dienen. In diesem Sinn sind verpflichtende Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage auszuscheiden. Beiträge für private Unfall-, Kranken- oder Lebensversicherungen sind hingegen im Allgemeinen nicht abzugsfähig. Ebenso bilden Leistungen für eine private Pensionsvorsorge grundsätzlich keine Abzugspost. Der E 1 Ob 585/90 ist zu entnehmen, dass eine leistungswirksame Beitragsentrichtung zur Pensionsversicherung, die nur der Sicherung eines höheren Pensionsbezugs dient, der dem Kind aller Voraussicht nach nicht mehr zu Gute kommt, ebenso wie eine vertragliche Zusatzpensionsversicherung den Unterhaltsanspruch nicht schmälern kann.
Es mag durchaus sein, dass die private Pensionsvorsorge zur Aufrechterhaltung des gewohnten Lebensstandards im Alter immer wichtiger wird. Bei der Unterhaltsbemessung ist das Hauptaugenmerk jedoch darauf zu legen, dass grundsätzlich nur existenzsichernde Ausgaben abzugsfähig sind. Auch wenn die gesetzlichen Pensionsleistungen zusehends zurückgenommen werden, hat die staatliche Pensionsversicherung die Funktion der Existenzsicherung im Alter noch nicht aufgegeben. Außerdem dürfen vermögensbildende Maßnahmen nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten anerkannt werden. In dieser Hinsicht lässt sich die von Neuhauser berechtigterweise erhobene Forderung, dass die vom Unterhaltsschuldner im Rahmen einer privaten Pensionsvorsorge angesparten Beträge nicht zweckwidrig verwendet werden dürfen, kaum sicherstellen. Der Ansicht von Schwimann und Kolmasch, dass diese Forderung überzogen sei und es dem Unterhaltspflichtigen überlassen bleiben müsse, auf welche Weise er vorsorgen wolle, ist nicht beizupflichten.
Nach der derzeitigen Sachlage besteht insgesamt kein sachlich gerechtfertigter Anlass, von den bisher in der Rsp entwickelten Grundsätzen abzugehen. Beiträge zur privaten Pensionsvorsorge sind von der Unterhaltsbemessungsgrundlage daher im Allgemeinen weiterhin nicht abzugsfähig. Nicht übersehen wird, dass durchaus besondere Umstände vorliegen können, die einen Abzug gerechtfertigt erscheinen lassen. In dieser Hinsicht ist etwa daran zu denken, dass der konkret betroffene Unterhaltsberechtigte von der vom Unterhaltsschuldner finanzierten Zusatzpension profitiert, oder dass ausnahmsweise keine gesetzliche Sozialversicherung besteht. Derartige besondere Umstände hat der Vater nicht dargelegt. Sein Argument, dass die Kinder im Fall der Einbeziehung der Pensionskassenbeiträge in die Bemessungsgrundlage doppelt begünstigt würden, überzeugt mit Rücksicht auf sein Alter und jenes der Kinder nicht.