02.12.2010 Zivilrecht

OGH: Antrag auf Aufhebung einer Obsorgeübertragung nach § 176 ABGB und Zukunftsprognose

Es muss mit großer Wahrscheinlichkeit klargestellt sein, dass nunmehr die ordnungsgemäße Pflege und Erziehung durch den antragstellenden Elternteil, dem schon einmal die Obsorge wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden musste, gewährleistet ist und keine Gefahr mehr für das Wohl des Kindes und dahin besteht, dass wieder eine Maßnahme nach § 176 Abs 2 ABGB angeordnet werden müsste; es ist nicht nur von der aktuellen Situation auszugehen, sondern auch eine Zukunftsprognose anzustellen


Schlagworte: Familienrecht, Antrag auf Aufhebung einer Obsorgeübertragung, Zukunftsprognose
Gesetze:

§ 176 ABGB

GZ 5 Ob 103/10y, 31.08.2010

OGH: Ein Elternteil kann mit einem Antrag auf Aufhebung einer Obsorgeübertragung nur dann durchdringen, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind und anzunehmen wäre, dass eine Gefahr für das Wohl der Kinder nun nicht mehr besteht. Während die Entziehung oder Einschränkung elterlicher Rechte und Pflichten nur als äußerste Notmaßnahme gerechtfertigt werden kann und das Gericht nur einzuschreiten hat, wenn ihm Missbrauch oder Vernachlässigung der Erziehung angezeigt oder amtlich bekannt wird und eine konkrete ernste Gefahr für die Entwicklung der Kinder besteht, ist dann, wenn eine Einschränkung der elterlichen Rechte und Pflichten bereits stattfinden musste, bei einem Antrag auf Rückführung der Kinder in Pflege und Erziehung der leiblichen Eltern ein anderer Maßstab anzulegen. Es muss mit großer Wahrscheinlichkeit klargestellt sein, dass nunmehr die ordnungsgemäße Pflege und Erziehung durch den antragstellenden Elternteil, dem schon einmal die Obsorge wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden musste, gewährleistet ist und keine Gefahr mehr für das Wohl des Kindes und dahin besteht, dass wieder eine Maßnahme nach § 176 Abs 2 ABGB angeordnet werden müsste. Da das Kindeswohl auch bei der Aufhebung von Maßnahmen dem Elternrecht vorgeht, muss eindeutig feststehen, dass die Wiederherstellung der Obsorge der Mutter dem Kindeswohl dient. Dabei ist nicht nur von der aktuellen Situation auszugehen, sondern auch eine Zukunftsprognose anzustellen; ein Obsorgewechsel hat zu unterbleiben, wenn keine sichere Prognose über dessen Einfluss auf das Kind vorliegen. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob - va bei einem längeren Aufenthalt bei einem Dritten - die Notwendigkeit der Trennung von diesem zu psychischen Beeinträchtigungen des Kindes und damit zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde; dabei stehen aber nur solche zu erwartenden Beeinträchtigungen einer Rückführung des Kindes entgegen, die als nicht bloß vorübergehende Umstellungsschwierigkeiten zu werten sind, sondern eine konkrete, ernste Gefahr für die Entwicklung der Kinder ergeben würden. Dem Grundsatz der Kontinuität der Erziehung kommt zwar bei der Gesamtbeurteilung des Kindeswohls Bedeutung zu, er darf aber nicht um seiner selbst Willen jedenfalls aufrecht erhalten werden.