OGH: § 140 ABGB - muss sich ein Unterhaltsschuldner die (möglichen) Zinserträge aus einem ihm zugekommenen Schmerzengeld bei der Unterhaltsbemessung anrechnen lassen?
Schmerzengeld ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; auch ein Zinsgewinn aus Schmerzengeld kann einem Unterhaltsverpflichteten nicht angerechnet werden
§ 140 ABGB
GZ 7 Ob 166/10b, 22.10.2010
Vorgebracht wird, der an den Vater nach dem Unfall vom 30. 3. 1993 ausbezahlte Betrag von 4,8 Mio ATS sei nicht nur als Schmerzengeld, sondern zum Teil auch als Verdienstentgang tituliert gewesen. Dazu komme noch ein Betrag von 300.000 CHF von der L***** Versicherung, der "möglicherweise nicht unter den Begriff Schmerzengeld subsumiert werden kann und daher der Unterhaltsbemessungsgrundlage zugerechnet werden muss".
OGH: Als Unterhaltsbemessungsgrundlage dient in der Regel das nach spezifisch unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelte tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Einkommen ist die Summe aller tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder Geldwertleistungen, über die er frei verfügen kann oder die zumindest seine Bedürfnisse verringern. Auch Erträgnisse eines Vermögens sind als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn das Vermögen dauernden Ertrag abwirft; anrechenbare Vermögenserträgnisse sind etwa Zinsen aus Kapitalvermögen. Ausgenommen sind gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossene sowie solche Einnahmen, die zur Gänze dem Ausgleich eines tatsächlichen Mehraufwands dienen. Eine mit der Einkommensleistung verbundene Zweckbestimmung bewirkt allerdings für sich noch nicht zwingend das Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage; dies kann jedoch dann der Fall sein, wenn die Leistung ausschließlich einen bestimmten Sonderbedarf abdecken soll, sodass jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands dienen, jedenfalls außer Betracht zu bleiben haben. Wie der OGH bereits wiederholt ausgeführt hat, trifft dies auf einen Schmerzengeldanspruch des Unterhaltspflichtigen zu, der ähnlich wie ein Ersatz für Sonderbedarf zu sehen und daher in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen ist.
Dieselben Überlegungen, derentwegen Schmerzengeld als Sonderbedarf von der Unterhaltsbemessungsgrundlage auszunehmen ist, müssen auch hinsichtlich der Zinserträge aus Schmerzengeld gelten. Dass (jedenfalls nicht über gesetzliche Zinsen hinausgehende) Zinsgewinne aus Schmerzengeld nicht dem Eigeneinkommen des Kindes zuzurechnen sind, hat der OGH bereits ausgesprochen. Vice versa kann ein Zinsgewinn aus Schmerzengeld auch einem Unterhaltsverpflichteten nicht angerechnet werden. Andernfalls wäre ein unterhaltspflichtiger Geschädigter, der ihm für sein erlittenes Ungemach geleistetes Schmerzengeld nicht sogleich ausgibt, um sich dadurch "gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen", sondern das Geld zur Zukunftsvorsorge verwendet - es also zunächst spart und dabei einen Geldwertverfall in Kauf nehmen muss, der durch Zinsen ausgeglichen wird - ohne sachlichen Grund erheblich benachteiligt.
Anders verhält es sich aber, wenn der Vater Gelder, die er zur Abgeltung eines Verdienstentgangs erhalten hat, nicht verbraucht, sondern (teilweise) gespart hätte. Im Gegensatz zum Zinsengewinn aus Schmerzengeld würden Zinsen aus solchem Barvermögen die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhen. Ob von der behaupteten Abgeltung von Verdienstentgang noch Barvermögen vorhanden ist und in welcher Höhe daraus Zinsen erzielt werden, ist daher entscheidungserheblich. Das Gleiche gilt für eine dem Vater angeblich noch erbrachte Versicherungsleistung von 300.000 CHF, die nach dem Vorbringen des Revisionsrekurswerbers ebenfalls nicht unter dem Titel des Schmerzengelds geleistet worden sein soll.