03.02.2011 Zivilrecht

OGH: § 1327 ABGB - zu den Betreuungskosten

Die Zeit, die die Pflegeperson beim Verletzten anwesend wäre (insbesonders während der Nacht und während der Hausarbeit), ist nicht zu ersetzen, weil sie keinen konkreten Schaden darstellt; weil Leistungen aus der Familie des Geschädigten den Schädiger nicht zu entlasten vermögen, kann eine Vermehrung der Anzahl der Haushaltsangehörigen aufgrund des pflegenotwendigen Einzugs der Betreuungspersonen bei der Aufteilung der Fixkosten und der Kosten für Haushaltsführung und Kinderbetreuung unberücksichtigt bleiben


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Tötung, Betreuungskosten
Gesetze:

§ 1327 ABGB

GZ 2 Ob 40/10m, 07.10.2010

Die Eltern der Klägerinnen wurden bei einem Verkehrsunfall, der vom Erstbeklagten verschuldet wurde, getötet. Die im Unfallszeitpunkt minderjährigen Klägerinnen lebten mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt. Nach dem Unfall zog die Tante der Klägerinnen mit ihrer mj Tochter sowie die mütterliche Großmutter in diese Wohnung, um die Klägerinnen betreuen zu können.

OGH: Der OGH entscheidet in stRsp, dass die Zeit, die die Pflegeperson jedenfalls bei dem Pflegebedürftigen anwesend wäre (insbesondere während der Nacht und während der Hausarbeit), nicht zu ersetzen ist, weil sie keinen konkreten Schaden darstellt.

Maßgebend für den Ersatzanspruch der Kinder nach § 1327 ABGB ist, in welchem Umfang ihnen durch den Tod der Eltern Pflegeleistungen und Unterhaltsleistungen entgangen sind. Die Hinterbliebenen sind so zu stellen, wie sie stünden, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre. Dabei ist von den Verhältnissen (bis) zum Todeszeitpunkt auszugehen. Künftige Entwicklungen sind - soweit möglich - bei der Bemessung im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen.

Erbringt ein Dritter aufgrund familienrechtlicher Verpflichtungen Leistungen an oder für die Geschädigten, um deren unfallbedingt vermehrte Bedürfnisse zu befriedigen, dann geschieht dies nicht zu dem Zweck, den Schädiger zu entlasten.

Fixkosten sind alle Kosten der Haushaltsführung, die sich durch den Wegfall des Verstorbenen in ihrer Höhe nicht wesentlich ändern und Unterhaltscharakter haben. Diese Kosten sind bei der Ermittlung des Unterhaltsentgangs anteilig zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen bei der Aufteilung der Fixkosten und der Kosten für Haushaltsführung und Kinderbetreuung den Umstand, dass die Tante samt Kind sowie die mütterliche Großmutter der Klägerinnen in deren Wohnung eingezogen sind, nicht berücksichtigt, weil auf die tatsächlichen Verhältnisse vor dem schädigenden Ereignis abzustellen sei und der fiktive schädigungsfreie Verlauf den Verhältnissen, die der schädigende Eingriff hervorgerufen habe, gegenüberzustellen sei. Davon abgesehen hätten die Klägerinnen auch keinen Rechtsanspruch gegenüber den Genannten, sich an den Kosten der Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu beteiligen.

Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Rsp, dass Leistungen aus der Familie des Geschädigten den Schädiger nicht zu entlasten vermögen. Die Entscheidung 2 Ob 212/77, wonach bei Wiederverehelichung der Witwe die Fixkosten nicht nach Kopfteilen der Kinder zu berechnen, sondern auf so viele Personen aufzuteilen sind wie der Haushalt tatsächlich umfasst (Witwe, Kinder und nunmehriger Ehemann), ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Hier handelt es sich nicht um eine Vermehrung der Anzahl der Haushaltsangehörigen aufgrund von Wiederverehelichung, sondern aufgrund des pflegenotwendigen Einzugs der nunmehrigen Betreuungspersonen. Dass die Tante der Klägerinnen auch ihr Kind mitbrachte, ist vernachlässigbar, zumal die Aufnahme der Betreuungspersonen in den Haushalt der Klägerinnen ausschließlich im Interesse und zum Vorteil der Klägerinnen erfolgte. Die von den Beklagten (nach Eigendefinition "überspitzt") dargestellte Extremsituation des Einzugs einer Tante mit zehn Kindern und aller vier Großelternteile kann dahingestellt bleiben, da sich der Senat nicht veranlasst sieht, sich mit bloß hypothetischen Überlegungen zu befassen.