10.02.2011 Zivilrecht

OGH: Unterhaltsvorschüsse gem § 4 Z 2 UVG

Ein Beweisdefizit oder Zweifel über die Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu einer allenfalls höheren Unterhaltsleistung nicht "offenbar" iSd letzten Halbsatzes des § 4 Z 2 UVG und stehen der Bevorschussung in voller Höhe nicht entgegen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsvorschuss
Gesetze:

§ 4 Z 2 UVG

GZ 10 Ob 82/10x, 30.11.2010

OGH: Der § 4 Z 2 UVG zweite Fallgruppe erfasst Unterhaltsberechtigte, die zwar über einen mehr als drei Jahre alten Unterhaltstitel verfügen, jedoch eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung bzw eine Aufwertung des Unterhaltsanspruchs "aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners" nicht erreichen können; zu diesen Gründen zählt insbesondere der unbekannte Aufenthalt des Unterhaltsschuldners oder Ungewissheit über seine Lebensverhältnisse, verbunden mit der daraus resultierenden Unmöglichkeit, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse festzustellen. In diesen Fällen soll grundsätzlich Unterhaltsvorschuss gebühren. Solche Richtsatzvorschüsse knüpfen nicht an eine konkret feststellbare Unterhaltspflicht, sondern beruhen auf einheitlichen Pauschalbeträgen, nämlich den Richtsatzquoten des § 6 Abs 2 UVG. Die Vorschussleistung soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Unterhaltsschuldner nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung bzw einer höheren Unterhaltsleistung nicht im Stande ist. Für diese Voraussetzung ist der Bund beweisbelastet. Es sind positive Beweise für die Leistungsunfähigkeit erforderlich, was aufgrund der eingeschränkten Beweisgrundlage des § 11 Abs 2 UVG zumeist schwierig ist. Beweisdefizite und Zweifel über die Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit nicht offenbar. Sie dürfen nicht zu Lasten des Kindes gehen und stehen der Bevorschussung nicht entgegen. So hat der OGH etwa in der Entscheidung 4 Ob 547/92 ausgesprochen, im Falle einer Unwahrscheinlichkeit eines Verdienstes des Unterhaltspflichtigen in bestimmter Höhe bedeute dies noch nicht, dass der Unterhaltspflichtige ein solches Einkommen nicht beziehe und der dem Bund obliegende positive Beweis erbracht worden wäre. Der Vater sei demnach nicht "offenbar" im oben dargelegten Sinn zur Leistung eines höheren Unterhalts unfähig.

Ein Beweisdefizit oder Zweifel über die Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu einer allenfalls höheren Unterhaltsleistung nicht "offenbar" iSd letzten Halbsatzes des § 4 Z 2 UVG und stehen der Bevorschussung in voller Höhe nicht entgegen. Es hätte nur dann zu einer entsprechenden Einschränkung der Richtsatzhöhe kommen dürfen, wenn der Bund den Nachweis erbracht hätte, dass der Unterhaltsschuldner offenbar nicht zur Leistung des vollen, der Richtsatzhöhe entsprechenden Betrags im Stande wäre. Vom (beweispflichtigen) Bund unaufgeklärt gebliebene Umstände dürfen aber nicht zu Lasten des unterhaltsvorschussberechtigten Kindes ausschlagen.

Da der Umfang der dem Grunde nach bestehenden Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nur im Ausmaß von 120 EUR - nicht aber in einem darüber hinausgehenden Ausmaß - zweifelsfrei feststeht, ist der Unterhaltsvorschuss in voller Höhe des Richtsatzes des § 6 Abs 2 UVG ohne Rücksicht auf die potentielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu gewähren.