11.10.2009 Sicherheitsrecht

VwGH: Erkennungsdienstliche Behandlung nach § 65 Abs 1 SPG

Die Behörde hat eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sie sich mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit der Art des dadurch verwirklichten Deliktes, mit dem daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen hat


Schlagworte: Sicherheitspolizeirecht, erkennungsdienstliche Behandlung, Tatverdacht, Prognose
Gesetze:

§ 65 SPG

GZ 2007/21/0182, 08.09.2009

Die belangte Behörde verpflichtete den Bf, sich binnen zwei Wochen ab Bescheidzustellung gem § 65 Abs 4 iVm § 77 Abs 2 SPG bei der Polizeiinspektion einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen. Sollte der Bf dem nicht nachkommen, werde die erkennungsdienstliche Behandlung "nötigenfalls" mittels Vorführung zur Polizeiinspektion unter Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt gem § 78 SPG durchgesetzt werden.

VwGH: Gem § 65 Abs 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.

Zu diesem Zweck hat die Behörde nach stRsp des VwGH eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sie sich mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit der Art des dadurch verwirklichten Deliktes, mit dem daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen hat.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zu dem von ihr angenommenen Tatverdacht keine Feststellungen getroffen. Sie verwies im angefochtenen Bescheid lediglich darauf, dass von der Polizeiinspektion gegen den Bf Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der schweren Körperverletzung erstattet worden sei. Damit steht (nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen) nicht einmal fest, welche Handlungen dem Bf konkret vorgeworfen werden.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ansatzweise als Hinweis auf das Tatgeschehen in ihrer rechtlichen Beurteilung wiedergegebenen Elemente ("ungerechtfertigte Überreaktion im offensichtlich alkoholisierten Zustand") sind nicht geeignet, als nachvollziehbare Sachverhaltsfeststellungen angesehen zu werden, die es ermöglicht hätten, eine Beurteilung vorzunehmen, ob der in § 65 Abs 1 SPG enthaltene Tatbestand erfüllt ist.