VwGH: ORF-G und Verletzung des Objektivitätsgebots iZm Ruf- / Kreditschädigung
Unzulässig sind jedenfalls polemische oder unangemessene Formulierungen, also solche, die eine sachliche Auseinandersetzung vermissen lassen und in denen es erkennbar darum geht, jemanden bloß zu stellen, bzw Aussagen oder Formulierungen eines Beitrages, die eine hervorstechende oder den Gesamtzusammenhang in den Hintergrund drängende Wirkung derart entfalten, dass beim Durchschnittsbetrachter unweigerlich ein verzerrter Eindruck entsteht; entscheidend ist der Gesamteindruck, der durch die Berichterstattung für einen Durchschnittsbetrachter erweckt wird; die Anforderungen an den ORF dürfen aber nicht überzogen werden und es soll der journalistischen Aufarbeitung eines Themas in geeigneter Form genügend Raum bleiben
§ 1 ORF-G, § 4 ORF-G, § 10 ORF-G
GZ 2010/03/0009, 23.06.2010
Die Beschwerde vertritt den Standpunkt, die Berichterstattung der mitbeteiligten Partei habe gegen das Objektivitätsgebot verstoßen. Die Berichterstattung sei tendenziös gewesen und habe tatsachenwidrig den Eindruck erweckt, die bf Partei betreibe ein unerlaubtes oder doch anrüchiges Waffengeschäft und trage dazu bei, dass Waffen in die Hände von Terroristen gelangten. Auch mache sich der ORF einseitig zum Sprachrohr des politischen Standpunkts einer politischen Partei, nämlich der "Grünen". Der ORF habe damit gegen die Grundsätze der Objektivität und der Unparteilichkeit der Berichterstattung, insbesondere gegen § 1 Abs 3, 4 Abs 5 Z 1 bis 3 und § 10 Abs 5 bis 7 ORF-G verstoßen.
VwGH: Die gebotene objektive Berichterstattung durch den ORF (Objektivitätsgebot; vgl § 1 Abs 3 ORF-G) verlangt, dass Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen objektiv ausgewählt und vermittelt werden (§ 4 Abs 5 Z 1 ORF-G), für die Allgemeinheit wesentliche Kommentare, Standpunkte und kritische Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen wiedergegeben und vermittelt werden (§ 4 Abs 5 Z 2 ORF-G), und eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen des ORF unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität erstellt werden (§ 4 Abs 5 Z 3 ORF-G). Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein, und es sind alle Nachrichten und Berichte sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen; Nachricht und Kommentar sind deutlich voneinander zu trennen (§ 10 Abs 5 ORF-G). Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen zu achten (§ 10 Abs 6 ORF-G) und es haben Kommentare, Analysen und Moderationen sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen (§ 10 Abs 7 ORF-G).
Nach der Rsp des VwGH bemisst sich die Sachlichkeit (Objektivität) einer Sendung grundsätzlich nach ihrem Thema. Dieses Thema legt fest, was "Sache" ist. Bei der Beurteilung der Sachlichkeit muss iSe gebotenen Gesamtbetrachtung stets der Gesamtzusammenhang in Betracht gezogen werden, der das Thema der Sendung bestimmt. Dieser Gesamtkontext und der für die Durchschnittsbetrachter daraus zu gewinnende Gesamteindruck gibt der Beurteilung, ob die Gestaltung einer Sendung dem Objektivitätsgebot entsprochen hat, die Grundlage. Einzelne Formulierungen können daher aus dem Gesamtzusammenhang gerechtfertigt werden.
Unzulässig sind jedenfalls polemische oder unangemessene Formulierungen, also solche, die eine sachliche Auseinandersetzung vermissen lassen und in denen es erkennbar darum geht, jemanden bloß zu stellen, bzw Aussagen oder Formulierungen eines Beitrages, die eine hervorstechende oder den Gesamtzusammenhang in den Hintergrund drängende Wirkung derart entfalten, dass beim Durchschnittsbetrachter unweigerlich ein verzerrter Eindruck entsteht.
Die bf Partei entfernt sich von der in der hg Rsp geforderten Gesamtbetrachtung, wenn sie die Sendungen Satz für Satz analysiert und einzelne Formulierungen dafür heranziehen möchte, eine Verletzung des Objektivitätsgebots unter Beweis zu stellen. Entscheidend ist der Gesamteindruck, der durch die Berichterstattung für einen Durchschnittsbetrachter erweckt wird. Es mag zutreffen, dass einzelne Formulierungen in den Sendungen iSe objektiven Berichterstattung anders bzw präziser hätten ausfallen können. Dabei dürfen die Anforderungen an den ORF aber nicht überzogen werden und es soll der journalistischen Aufarbeitung eines Themas in geeigneter Form genügend Raum bleiben. Eben dieser Umstand hat dazu geführt, dass in der Rsp dem Erfordernis einer Gesamtbetrachtung der Objektivität einer Sendung (gegenüber einer auf einzelne Sendungsteile oder Formulierungen gestützten Kritik) der Vorzug gegeben wurde.