29.03.2010 Sozialrecht

VwGH: Rückwirkende Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gem § 42 B-KUVG

Wenn das Ergebnis des Verfahrens von medizinischen Fragen und damit vom Sachverständigengutachten abhängt, dann kann zwar in der Außerachtlassung einer gesicherten Erkenntnis des Faches ein offenkundiges Versehen liegen; § 42 B-KUVG bietet aber keine Handhabe dafür, jede Fehleinschätzung im Tatsachenbereich zu korrigieren, insbesondere auch nicht dafür, die Beweiswürdigung im Nachhinein neuerlich aufzurollen


Schlagworte: Beamte, Kranken- und Unfallversicherung, rückwirkende Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
Gesetze:

§ 42 B-KUVG

GZ 2008/08/0237, 18.11.2009

VwGH: Ergibt sich nachträglich, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist gem § 42 B-KUVG mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen.

Die Entscheidung, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, ist eine Verwaltungssache, die Herstellung dieses Zustandes selbst hingegen eine Leistungssache.

Ein Irrtum über den Sachverhalt liegt vor, wenn der Sozialversicherungsträger Sachverhaltselemente angenommen hat, die mit der Wirklichkeit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht übereinstimmten. Der Irrtum ist dann als wesentlich anzusehen, wenn er für die rechtliche Beurteilung des den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens bildenden Leistungsanspruches Bedeutung erlangt hat. Es kommt also darauf an, ob die vom Irrtum betroffenen und dann richtig gestellten Sachverhaltselemente im Zusammenhalt mit dem vom Irrtum nicht betroffenen Feststellungen des seinerzeitigen Bescheides den Anspruch begründet bzw erhöht hätten. Der seinerzeitige Irrtum muss auch kausal dafür sein, dass die Leistung zu Unrecht verweigert wurde. Führen zunächst außer Acht gelassene Tatsachen nicht dazu, dass die Anspruchsvoraussetzungen am Stichtag vorlagen, dann ist ein Antrag auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes abzuweisen.

Wenn das Ergebnis des Verfahrens von medizinischen Fragen und damit vom Sachverständigengutachten abhängt, dann kann zwar in der Außerachtlassung einer gesicherten Erkenntnis des Faches ein offenkundiges Versehen liegen. § 42 B-KUVG bietet aber keine Handhabe dafür, jede Fehleinschätzung im Tatsachenbereich zu korrigieren, insbesondere auch nicht dafür, die Beweiswürdigung im Nachhinein neuerlich aufzurollen. Es genügt also nicht, dass ein medizinischer Sachverständiger eine Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgenommen hat, die von einem anderen Sachverständigen bloß nicht geteilt wird, wenn sie vertretbar erscheint. Sollte sich im Übrigen die medizinische Einschätzung etwa auf Grund neuer medizinischer Erkenntnisse im Nachhinein geändert haben, läge hier ein wesentlicher Sachverhaltsirrtum in Bezug auf den Bescheid vom 20. Mai 1994 schon deshalb nicht vor, weil diesfalls nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine anderen Tatsachen hätten festgestellt werden können als jene, die tatsächlich festgestellt wurden.