02.06.2010 Steuerrecht

VwGH: Zur Besteuerung von Reiseleistungen nach § 23 UStG iZm Lern- und Unterrichtsaufenthalten

Der Umstand, dass keine Reiseleistungen im allgemeinen Sprachgebrauch erbracht werden und die Leistungen nur im Bundesgebiet gelegen sind, steht der Anwendung des § 23 UStG nicht entgegen


Schlagworte: Umsatzsteuer, Besteuerung von Reiseleistungen, Lern- und Unterrichtsaufenthalte
Gesetze:

§ 23 UStG

GZ 2007/15/0108, 22.03.2010

Die belangte Behörde hat die von der Bf durchgeführten Jugendaufenthalte nach § 23 UStG besteuert.

Die Bf wendet sich gegen die Anwendung der Besteuerung von Reiseleistungen, weil sie keine Reiseleistungen - eine Reise setze die Überwindung einer größeren räumlichen Distanz voraus - erbringe. Der Hauptzweck ihres Unternehmens sei die Veranstaltung eines dem Schulbetrieb gleich kommenden Lernaufenthaltes. Sie betreibe zwar kein eigenes Jugend-, Erziehungs- oder Ausbildungsheim iSd § 10 Abs 2 Z 14 UStG, beantrage jedoch die Versteuerung der Leistungen nach dieser Bestimmung. Ihre Hauptleistung bestehe nämlich in der Unterrichtung, Erziehung, Aus- und Fortbildung der Jugendlichen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Unterkunft und die Verpflegung sei lediglich eine Nebenleistung, die im Rahmen des gemeinsamen Aufenthaltes, des gemeinsamen Unterrichtes und der gemeinsamen Erziehung erforderlich sei. Reiseleistungen seien nur dann als solche zu erfassen, wenn sie ein ausschlaggebendes im Gesamtpreis sich widerspiegelndes Gewicht hätten. Dies sei bei ihr nicht gegeben, weil die Hauptleistung die Erbringung einer Unterrichtstätigkeit darstelle. Im Übrigen hätten ihre Eigenleistungen nicht mit den eigenen Kosten vom Umsatz abgezogen werden dürfen, sondern nur der Verkaufswert ihrer Eigenleistung. Die von Dritten bezogene Leistung, Unterkunft inklusive Verpflegung, stelle für ihre Kunden keinen eigenen Zweck dar, sondern sei nur Mittel, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Die von Dritten bezogenen Leistungen stellten daher im Vergleich zu den Eigenleistungen reine Nebenleistungen dar. Auch aus diesem Grunde könne die Besteuerung von Reiseleistungen auf sie nicht angewendet werden.

VwGH: Nach § 23 UStG, mit dem die Bestimmungen des Art 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - gemeinsames Mehrwertsteuersystem; einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (kurz: RL) übernommen wurde, werden nur Reiseleistungen eines Unternehmers besteuert, die er im eigenen Namen, an Nichtunternehmer und unter Beanspruchung von Reisevorleistungen ausführt. Die Reiseleistung ist, auch wenn im Rahmen einer Reise Lieferungen (Verpflegung) erbracht werden, stets als sonstige Leistung zu behandeln. Mehrere Reiseleistungen (zB Beförderung, Unterkunft und Verpflegung) gelten hiebei stets als eine einheitliche sonstige Leistung (§ 23 Abs 2 UStG). Bemessungsgrundlage ist abweichend von § 4 nicht das vom Reisenden aufgewendete Entgelt, sondern nur die Differenz (Marge) zwischen dem Reisepreis und den Kosten der in Anspruch genommenen Reisevorleistungen (§ 23 Abs 7 leg cit).

Zu Art 26 RL hat der EuGH in seiner bisherigen Rsp ausgeführt, dass Leistungen von Reisebüros und Reiseveranstaltern dadurch gekennzeichnet sind, dass sie sich regelmäßig aus mehreren Leistungen, insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen, die teils im Ausland, teils in dem Land erbracht werden, in dem das Reisebüro seinen Sitz oder eine feste Niederlassung hat. Die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen über den Ort der Besteuerung, die Besteuerungsgrundlage und den Vorsteuerabzug würde auf Grund der Vielzahl und der Lokalisierung der erbrachten Leistungen bei diesem Unternehmen zu praktischen Schwierigkeiten führen, die die Ausübung ihrer Tätigkeit behindern. Um das anwendbare Recht den besonderen Merkmalen dieser Tätigkeit anzupassen, enthält Art 26 Abs 2 bis 4 RL eine Mehrwertsteuer-Sonderregelung. Auch wenn der Hauptgrund für die Einführung der Margensonderregelung Probleme iZm solchen Reiseleistungen waren, die Dienstleistungen in mehr als einem Mitgliedstaat betreffen, findet diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach auch auf Dienstleistungen Anwendung, die nur in einem Mitgliedstaat erbracht werden. Dass ein Reiseveranstalter einem Reisenden nur eine Ferienwohnung zur Verfügung stellt, ist kein hinreichender Grund dafür, diese Leistung vom Anwendungsbereich des Art 26 RL auszuschließen.

Der Umstand, dass die Bf keine Reiseleistungen im allgemeinen Sprachgebrauch erbringt und ihre Leistungen nur im Bundesgebiet gelegen sind, steht somit der Anwendung des § 23 UStG nicht entgegen. Die Bf bietet im eigenen Namen die Jugendurlaube zu einem Pauschalpreis an. Sie hat Reisevorleistungen wie Unterbringung, Verpflegung, Freizeitgestaltung, Kegeln, Transfer, Mietwagen, Tennis, Minigolf, Reiten und Fischen in Anspruch genommen. Wenn die belangte Behörde für diese von der Bf veranstalteten Lern- und Unterrichtsaufenthalte für Jugendliche, die Besteuerung nach § 23 UStG vorgenommen hat, ist das nicht rechtswidrig. Die Bf erbringt im Rahmen ihrer veranstalteten Lernaufenthalte Dienstleistungen iZm dem Aufenthalt ihrer Kunden und greift zur Erbringung der mit dieser Art von Tätigkeit im Allgemeinen verbundenen Leistungen auf andere Unternehmen iSd § 23 UStG zurück, indem sie Reisevorleistungen wie Unterbringung, Verpflegung, Freizeitgestaltung, Kegeln, Transfer, Mietwagen, Tennis, Minigolf, Reiten und Fischen in Anspruch nimmt. Bereits im Rahmen der Außenprüfung wurden diese einzelnen Reisevorleistungen und die dafür aufgewendeten Kosten dargestellt. Für Aufteilungszwecke des einheitlichen Reisepreises wurden diese den Aufwendungen der Eigenleistungen gegenübergestellt. Dass die bei Dritten bezogenen Reisevorleistungen ohne spürbare Auswirkung auf den Pauschalpreis geblieben wären, wurde im Rahmen des Verfahrens von der Bf nie behauptet und ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür. Diese Reisevorleistungen sind daher nicht als "reine Nebenleistungen" zu beurteilen, die eine Anwendung der Besteuerung nach § 23 UStG verhinderten.

Auch der EuGH ist davon ausgegangen, dass Art 26 RL auf einen Wirtschaftsteilnehmer Anwendung findet, der seinen Kunden gegen Zahlung eines Pauschalpreises außer den Leistungen iZm ihrer Sprachausbildung und -erziehung gewöhnlich auch von anderen Steuerpflichtigen bezogene Leistungen wie den Transfer in das Bestimmungsland und/oder den Aufenthalt in diesem Land anbietet. In diesem Urteil hat der EuGH auf die von einem anderen Steuerpflichtigen bezogenen Transferleistungen Art 26 RL angewendet.