OGH: Mindesteinstufung iZm deutlichem Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten iSd § 4a Abs 3 BPGG
Ein deutlicher Ausfall der oberen Extremitäten iSd § 4a Abs 3 BPGG kann jedenfalls dann nicht mehr angenommen werden, wenn dem Betroffenen der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl im Regelfall möglich ist und er nur beim gelegentlichen Auftreten von Spasmen fremder Hilfe bei diesem Transfer bedarf
§ 4a Abs 3 BPGG
GZ 10 ObS 148/10b, 09.11.2010
OGH: § 4a BPGG sieht bei bestimmten Diagnosen und damit verbundenen Funktionsausfällen Mindesteinstufungen vor. Liegt bei Personen gem Abs 1 ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten vor, ist mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 5 anzunehmen (§ 4a Abs 3 BPGG).
§ 4a Abs 3 BPGG ist nach stRsp des OGH dahingehend auszulegen, dass ein deutlicher Ausfall der oberen Extremitäten dann anzunehmen ist, wenn dem Betroffenen ein selbständiger Transfer in oder aus dem Rollstuhl nicht mehr möglich ist, somit neben dem aktiven Gebrauch eines Rollstuhls eine derart schwere Beeinträchtigung der oberen Extremitäten vorliegt, dass zum Transfer in oder aus dem Rollstuhl die Hilfe einer anderen Person notwendig ist. Diese Unfähigkeit zum selbständigen Transfer muss ihre Ursache unmittelbar im deutlichen Ausfall der oberen Extremitäten haben. Vom Ausfall müssen nicht beide oberen Extremitäten betroffen sein. Auch bereits die Gebrauchsunfähigkeit eines Arms wird in der Regel den selbständigen Transfer in und aus dem Rollstuhl unmöglich machen. Kann aber beispielsweise ein halbseitig gelähmter Pflegebedürftiger sich ohne fremde Hilfe vom Bett in den Rollstuhl setzen und umgekehrt, sind die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung nach § 4a Abs 3 BPGG nicht gegeben.
Im vorliegenden Fall ist dem Kläger nach den maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen der Transfer vom Rollstuhl in das Bett bzw umgekehrt selbständig möglich. Diese Möglichkeit des selbständigen Transfers ist nur im Fall des Auftretens von Spasmen beim Kläger eingeschränkt. Es wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt, dass er dabei einem allfälligen Herausrutschen aus dem Rollstuhl durch die Verwendung eines Gurts in wirksamer und zumutbarer Weise begegnen kann. Zutreffend und vom Kläger auch unbekämpft hat das Berufungsgericht weiters darauf hingewiesen, dass der Kläger durch die ihm ebenfalls zumutbare Einnahme eines Medikaments die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher Spasmen erheblich verringern kann, sodass in diesem Fall nur mehr eine geringe Wahrscheinlichkeit für das Auftreten solcher Spasmen besteht.
Im vorliegenden Fall muss die Frage, ob ein deutlicher Ausfall der oberen Extremitäten iSd § 4a Abs 3 BPGG dauernd oder jedenfalls nahezu ständig bei jedem Transfer in und aus dem Rollstuhl vorliegen muss, nicht abschließend beantwortet werden. Denn selbst wenn man mit den Ausführungen des Revisionswerbers davon ausgeht, dass ein solcher Ausschluss für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4a Abs 3 BPGG nicht dauernd vorliegen müsse, kann ein deutlicher Ausfall der oberen Extremitäten iSd zitierten Gesetzesstelle jedenfalls dann nicht mehr angenommen werden, wenn - wie im gegenständlichen Fall - dem Betroffenen der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl im Regelfall möglich ist und er nur beim gelegentlichen Auftreten von Spasmen fremder Hilfe bei diesem Transfer bedarf. Im Hinblick auf diese beim Kläger nur gelegentlich auftretende Funktionseinschränkung der Arme kann jedenfalls nicht davon gesprochen werden, dass dem Kläger damit der selbständige Transfer in und aus dem Rollstuhl wegen eines deutlichen Ausfalls der oberen Extremitäten unmöglich wäre.