10.04.2008 Verfahrensrecht

VwGH: Großverfahren gem § 44a Abs 1 AVG und Prognoseentscheidung hinsichtlich der voraussichtlichen Beteiligung von insgesamt mehr als 100 Personen

Die Wortfolge in § 44a Abs 1 AVG "voraussichtlich insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt", bedeutet, dass die Behörde eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, wobei sich die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nach den Verhältnissen vor Durchführung des Ermittlungsverfahrens richtet


Schlagworte: Großverfahren, Prognoseentscheidung, Edikt
Gesetze:

§ 44a AVG

GZ 2006/04/0250, 11.10.2007

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Voraussetzungen für ein Ediktsverfahren seien nicht vorgelegen. Dem erstinstanzlichen Bescheid sei diesbezüglich keine Begründung zu entnehmen gewesen. Die belangte Behörde habe sich auf eine Mitteilung der erstinstanzlichen Behörde gestützt und die Auffassung vertreten, die Prognoseentscheidung der Behörde erster Instanz sei berechtigt gewesen, weil eine Dienstbarkeit des Holzbezuges zu Gunsten von 107 Grundstücken eingetragen sei. Bei den berechtigten Liegenschaften handle es sich jedoch um solche einer Agrargemeinschaft und um agrargemeinschaftliche Nutzungsrechte. Die Agrargemeinschaft werde nach außen hin durch einen Obmann vertreten. Die Annahme, mehr als 100 Personen könnten am Verfahren beteiligt sein, sei daher nicht gerechtfertigt gewesen. Tatsächlich seien bei der Verhandlung auch nur 15 Personen anwesend gewesen.

VwGH: Die Wortfolge in § 44a Abs 1 AVG "voraussichtlich insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt", bedeutet, dass die Behörde eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, wobei sich die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nach den Verhältnissen vor Durchführung des Ermittlungsverfahrens richtet. Nach den Materialien muss sich die "getroffene Prognoseentscheidung ... auf konkrete Tatsachen oder Erfahrungssätze stützen können; in Zweifelsfällen wird es sich daher empfehlen, die Gründe für den Einsatz des Edikts aktenmäßig entsprechend zu dokumentieren (zB durch die Anlegung von Listen)".