11.05.2010 Verfahrensrecht

VwGH: Wiedereinsetzung - Sorgfaltspflichten des Rechtsanwaltes iZm Beachtung der Rechtsmittelfrist

Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist grundsätzlich immer der Anwalt selbst verantwortlich, denn er selbst wird die Frist festsetzen, ihre Vormerkung anordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht überwachen müssen


Schlagworte: Wiedereinsetzung, Sorgfaltspflichten des Rechtsanwaltes, Beachtung der Rechtsmittelfrist, Kontrollmechanismen, Kanzleiangestellte, manipulative Tätigkeiten
Gesetze:

§ 71 AVG, § 46 Abs 1 VwGG

GZ 2009/12/0053, 19.03.2010

Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken einer verlässlichen Kanzleikraft ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürften. Der Bf sei daher nicht verhalten gewesen, im Wiedereinsetzungsantrag ein entsprechendes Vorbringen über Kontrollmaßnahmen zu erstatten. Der aufgetretene Fehler, nämlich die versehentliche Einreihung des abfertigungsbereiten Beschwerdeschriftsatzes in die "Wochenpostmappe" an Stelle in die "Tagespostmappe" sei daher ausschließlich iZm dem manipulativen Vorgang der Postabfertigung unterlaufen und liege daher außerhalb des Verantwortungsbereiches des Beschwerdevertreters. Dieser habe nach Durchsicht und Überarbeitung des Berufungsentwurfes diesen ordnungsgemäß unterfertigt und in der erforderlichen Anzahl und samt Beilagen der zuständigen Sekretärin übergeben und sie ausdrücklich angewiesen, den Schriftsatz zur Abfertigung vorzubereiten und spätestens am 19. Dezember 2007 eingeschrieben aufzugeben.

VwGH: Zunächst ist an die ständige Judikatur des VwGH zu erinnern, wonach sich aus § 71 AVG ergibt, dass der Antrag Angaben über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass überdies anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller die Voraussetzungen des § 71 Abs 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt. In Anbetracht der in § 71 Abs 2 AVG normierten Befristung des Wiedereinsetzungsantrages ist es jedenfalls unzulässig, diesbezügliche Angaben erst nach Ablauf dieser Frist nachzutragen.

Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist grundsätzlich immer der Anwalt selbst verantwortlich, denn er selbst wird die Frist festsetzen, ihre Vormerkung anordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht überwachen müssen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich bei der Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann gegen den Bf auswirkt, wenn auf dessen Seite persönlich kein Verschulden gegeben ist. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hängt die inhaltliche Berechtigung des Wiedereinsetzungsantrages des Bf vorliegendenfalls davon ab, ob der verlässlichen Kanzleikraft M lediglich manipulative Tätigkeiten übertragen worden sind. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang ausschließlich das schon im Wiedereinsetzungsantrag erstattete Sachverhaltsvorbringen.

Demnach wurde M seitens der Konzipientin Mag B am 18. Dezember 2007 ein Tonträger mit einem darauf diktierten Konzept einer Berufung mit dem Auftrag übergeben, dieses zunächst zu übertragen, es sodann dem Beschwerdevertreter (zur Kontrolle, allfälliger Überarbeitung und Unterfertigung) vorzulegen und sodann den solcherart unterfertigten Schriftsatz spätestens am 19. Dezember 2007 eingeschrieben zur Post zu geben.

Anders als die Beschwerde meint wurde damit der M nicht bloß die manipulative Tätigkeit der (fristgerechten) Postaufgabe selbst übertragen, sondern - in Ermangelung von Vorbringen betreffend anderer Schritte zur Fristwahrung in der Kanzlei des Beschwerdevertreters - die eigenverantwortliche Wahrung der ihr von der Konzipientin schon am 18. Dezember 2007 gesetzten Frist zur Postaufgabe innerhalb eines Zeitraumes, währenddessen der Berufungsschriftsatz erst zu erstellen war, wozu nicht nur darauf abzielende Tätigkeiten der M, sondern darüber hinaus auch solche des Beschwerdevertreters selbst erforderlich waren, für deren fristgerechte Durchführung M nach Maßgabe der ihr erteilten Weisung offenbar auch Sorge zu tragen hatte.

Der im Wiedereinsetzungsantrag allein behauptete Sachverhalt ist insofern nicht mit jenen Fallkonstellationen vergleichbar, in denen einem Kanzleiangestellten nach Erstellung und Unterfertigung eines Schriftsatzes der (alleinige) Auftrag erteilt wird, diesen an sich zu nehmen, zu kuvertieren und sodann ohne weitere Zwischenschritte unverzüglich oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt zur Post zu geben. Einen Sachverhalt, welcher jenem entspricht, der dem vom Bf für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Beschluss des OGH vom 7. November 2007, 13 Os 120/07g, zu Grunde lag, behauptet erstmals die Beschwerde, wenn es dort heißt, der Beschwerdevertreter habe die Sekretärin M nach Übergabe des unterfertigten Schriftsatzes ausdrücklich angewiesen, diesen spätestens am 19. Dezember 2007 eingeschrieben aufzugeben. Diese Behauptung verstößt nicht nur gegen das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sondern auch gegen die Obliegenheit, innerhalb der Frist des § 71 Abs 2 AVG den die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Sachverhalt konkret und vollständig anzugeben. Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ergeben sich eben keine konkreten Behauptungen betreffend Weisungen, welche der M nach vollständiger Erstellung und Unterfertigung des Schriftsatzes durch den Beschwerdevertreter erteilt worden wären.

Auf Basis des Wiedereinsetzungsvorbringen hing die rechtzeitige Berufungserhebung somit davon ob, dass M sich nach (kommentarloser) Zuleitung des Berufungsschriftsatzes durch den Beschwerdevertreter an die ihr einen Tag zuvor mündlich erteilte Weisung der Mag B erinnerte, dass dieser spätestens am 19. Dezember 2006 zur Post zu geben (und daher jedenfalls in die Tagespostmappe einzuordnen) sei. Ein solches System der Fristwahrung darf aber jedenfalls ohne weitere Kontrollmechanismen einer einzelnen Kanzleiangestellten in Alleinverantwortung nicht übertragen werden.