19.08.2009 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Verpflichtung zur Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen?

Die Unterlassung der Zustellung zu eigenen Handen bei einem Straferkenntnis ist rechtswidrig, wenn dieses ergangen ist, ohne dass dem Beschuldigten zuvor eine Androhung der Unterlassung seiner Anhörung in zumindest einer der beiden im Gesetz genannten Varianten (§ 41 Abs 3 oder § 42 Abs 2 VStG) nach § 21 ZustG zu eigenen Handen zugestellt wurde und der Beschuldigte auch in der Folge nicht zur Sache gehört worden ist


Schlagworte: Zustellung eines Straferkenntnisses, zu eigenen Handen
Gesetze:

§ 21 ZustellG, § 24 VStG, § 22 AVG

GZ 2005/09/0174, 24.03.2009

Die Bf erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass die Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz nicht zu eigenen Handen bewirkt worden sei. Es wären besonders wichtige Gründe iSd § 22 AVG für eine solche eigenhändige Zustellung vorgelegen gewesen.

VwGH: Im VStG wird für Straferkenntnisse - anders als etwa für Strafverfügungen (vgl § 48 Abs 2 leg cit) oder Ladungsbescheide (vgl § 41 Abs 3 leg cit) - keine besondere Art der Zustellung angeordnet. Auch § 46 VStG schreibt keine Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen vor. Nach dem zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 22 zweiter Satz AVG ist aber bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es (wie in § 19 Abs 3 AVG etwa für Ladungsbescheide) gesetzlich vorgesehen ist, die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.

Der Umstand, dass es sich um ein Straferkenntnis handelt, stellt für sich allein nach der hg Rechtsprechung noch keinen zwingenden Grund für die Annahme besonders wichtiger Gründe iSd § 22 zweiter Satz AVG für eine Zustellung zu eigenen Handen dar. Jedoch hat der VwGH das Vorliegen solcher wichtiger Gründe dann als gegeben erachtet, wenn die mit dem Bescheid verbundenen Rechtsfolgen im Vergleich mit anderen Bescheiden in ihrer Bedeutung und Gewichtigkeit über dem Durchschnitt liegen. Dies sei etwa dann der Fall, wenn eine Geldstrafe - offensichtlich im Hinblick auf die drohende Ersatzfreiheitsstrafe - von Vornherein uneinbringlich erscheint.

Für die Bewirkung einer Zustellung eines Strafbescheides zu eigenen Handen liegt nach der hg Rechtsprechung auch dann ein besonders wichtiger Grund iSd § 22 zweiter Satz AVG iVm § 24 VStG vor, wenn der Beschuldigte einer an ihn ergangenen Ladung nicht Folge geleistet und vor Erlassung des Straferkenntnisses nicht einvernommen worden ist.

Eigenhändige Zustellungen sind nach dem VStG für Beschuldigten-Ladungsbescheide (§ 41 Abs 3 VStG) und für die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter (§ 42 Abs 2 VStG) dann angeordnet, wenn - nach Androhung - das Strafverfahren ohne Anhörung des Beschuldigten durchgeführt werden soll. Desgleichen ordnet das Gesetz die eigenhändige Zustellung von Strafverfügungen an (§ 48 Abs 2 VStG), also gleichfalls in einer Konstellation, in der eine Bestrafung nach dem Gesetz zulässig ist, obwohl der Beschuldigte noch nicht zur Sache gehört wurde. Die erwähnten ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen lassen in ihrem Zusammenhang das Prinzip erkennen, dass ein Verwaltungsstrafverfahren überhaupt nur dann ohne Anhörung der Partei durchgeführt werden darf, wenn dies unter Zustellung zu eigenen Handen vorher angedroht worden ist und dass eine Zustellung zu eigenen Handen auch dann geboten ist, wenn die Bestrafung nach dem Gesetz ausnahmsweise ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten und ohne Androhung dieser Rechtsfolge zulässig ist.

Es muss demzufolge aber die Unterlassung der Zustellung zu eigenen Handen bei einem Straferkenntnis rechtswidrig sein, wenn dieses ergangen ist, ohne dass dem Beschuldigten zuvor eine Androhung der Unterlassung seiner Anhörung in zumindest einer der beiden im Gesetz genannten Varianten (§ 41 Abs 3 oder § 42 Abs 2 VStG) nach § 21 ZustG zu eigenen Handen zugestellt wurde und der Beschuldigte auch in der Folge nicht zur Sache gehört worden ist.

Man würde dem Gesetzgeber angesichts der erwähnten gesetzlichen Anordnungen einen Wertungswiderspruch unterstellen, würde man die Zustellung eines Straferkenntnisses, welches ohne die sonstigen Förmlichkeiten des Verfahrens und ohne Anhörung des Beschuldigten erlassen sowie - anders als dies im Falle der Zustellung einer Strafverfügung ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist - nur nach § 13 iVm § 16 ZustG zugestellt wurde, als rechtmäßig beurteilen.

Im vorliegenden Fall wurde zwar die Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30. Jänner 2004 von der Behörde erster Instanz an die Bf zu eigenen Handen verfügt. Das beim Postamt hinterlegte Schreiben wurde jedoch von der Bf nicht behoben und an die Behörde erster Instanz retourniert. Die Behörde erster Instanz und auch die belangte Behörde, deren Verspätungsvorhalt erst an die Wohnadresse der Bf zugestellt werden konnte, mussten daher erhebliche Zweifel daran haben, ob eine Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung an die Bf wirksam erfolgt war. Die Bf bringt insofern vor, dass der Zusteller keinen Grund zur Annahme gehabt habe, dass sie sich regelmäßig iSd § 17 Abs 1 ZustellG an der Adresse der von ihr damals vertretenen KG aufgehalten habe. Diese Frage und die davon abhängige Frage, ob eine Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung an die Bf wirksam erfolgte, wurde jedoch weder von der Behörde erster Instanz noch von der belangten Behörde aufgeklärt. Da somit im vorliegenden Fall der Bf ein Straferkenntnis der Behörde erster Instanz nicht zu eigenen Handen zugestellt wurde und es im Verfahren ungeklärt blieb, ob der Bf zuvor eine wirksame Möglichkeit der Anhörung gegeben worden ist, sprechen triftige Gründe dafür, dass das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz der Bf zu eigenen Handen zuzustellen gewesen wäre.