VwGH: Unterlassung der Einvernahme eines namhaft gemachten Entlastungszeugen - Erlassung des Bescheides vor Schluss des Beweisverfahrens
Die Einvernahme eines vom Beschuldigten nominierten Entlastungszeugen darf nicht allein deshalb unterlassen werden, weil der Zeuge "trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung nicht erschienen ist"; der Gesetzgeber hat dem Beschuldigten nach § 51h Abs 3 VStG das Recht eingeräumt, nach Schluss der Beweisaufnahme in seinen Schlussausführungen zu dem ihm vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Verhalten abschließend Stellung zu beziehen
§ 51e VStG, § 51g VStG, § 51h VStG
GZ 2009/02/0095, 25.11.2009
Der Bf rügt die unterlassene Einvernahme des von ihm namhaft gemachten Zeugen GI M. Aufgrund einer Erkrankung sei GI M nicht zur Verhandlung erschienen und es sei diese ua deshalb "auf vorerst unbestimmte Zeit" erstreckt worden. Obwohl die öffentliche mündliche Verhandlung noch nicht geschlossen gewesen sei und der Bf auf die Einvernahme dieses Zeugen nicht verzichtet habe, habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen, ohne die auf unbestimmte Zeit erstreckte Verhandlung fortzusetzen.
VwGH: Die belangte Behörde darf nach stRsp des VwGH die Einvernahme eines vom Beschuldigten nominierten Entlastungszeugen nicht allein deshalb unterlassen, weil der Zeuge "trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung nicht erschienen ist". Vielmehr ist es Pflicht der Behörde, einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen. Allerdings ist die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels der Unterlassung der Einvernahme des Zeugen davon abhängig, ob der Zeuge zu einem "wesentlichen Thema" namhaft gemacht worden ist.
Der Bf zeigt mit dieser Rüge keinen relevanten Verfahrensmangel auf, zumal in der Beschwerde nicht einmal behauptet wird, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
In der Beschwerde wird jedoch mit dem Hinweis auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides, obwohl die Beweisaufnahme vor der belangten Behörde noch nicht geschlossen war, ein weiterer relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt. Mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch vor Schluss des Beweisverfahrens verletzte die belangte Behörde nämlich fundamentale Verfahrensbestimmungen.
Der Gesetzgeber hat dem Beschuldigten nach § 51h Abs 3 VStG das Recht eingeräumt, nach Schluss der Beweisaufnahme in seinen Schlussausführungen zu dem ihm vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Verhalten abschließend Stellung zu beziehen. Damit wird es dem Beschuldigten ermöglicht, durch sein persönliches und glaubwürdiges Auftreten auf die bevorstehende Entscheidung in einem Strafverfahren, in dem ua auch die Verschuldensfrage zu entscheiden ist, Einfluss zu nehmen. Dem Bf wurde dieses Recht nicht gewährt.