12.12.2007 Wirtschaftsrecht

VwGH: Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und Fristen für Nachprüfungsaufträge gem § 321 Abs 2 BVergG

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Vergaberecht, Antrag auf Nachprüfung der Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen, nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, Frist, Angebotsfrist
Gesetze:

§ 321 Abs 2 BVergG

GZ 2006/04/0112, 11.10.2007

Die mitbeteiligte Partei hat lärmtechnische Untersuchungen in Form eines zweistufigen nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung ausgeschrieben. Die Bekanntmachung dieser Ausschreibung erfolgte am 4. Mai 2006 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge zur öffentlichen Erkundung des Bewerberkreises (erste Stufe) wurde der 19. Mai 2006, 11.00 Uhr festgesetzt. Am 16. Mai 2006 hat die Beschwerdeführerin per Telefax bei der belangten Behörde einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung, in eventu Streichung von Teilen der Ausschreibung eingebracht, der von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen wurde.

VwGH: Die Rechtzeitigkeit der gegenständlichen Anfechtung ist nach § 321 Abs 2 BVergG zu beurteilen. Dabei ist als "Angebotsfrist" die Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen zu verstehen, da beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung in der Ausschreibung keine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten, sondern zur Abgabe von Teilnahmeanträgen erfolgt.

Demgemäß wäre der Nachprüfungsantrag bei einer Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen von weniger als 15 Tagen binnen drei Tagen vor Ablauf dieser Frist (§ 321 Abs 2 Z 1 BVergG), bei einer längeren Teilnahmeantragsfrist binnen sieben Tagen vor Fristablauf (§ 321 Abs 2 Z 2 leg cit) einzubringen gewesen.

Gem § 64 BVergG beträgt die vom Auftraggeber festzusetzende Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich mindestens 14 Tage. Sie beginnt mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung der Ausschreibung und endet mit dem Zeitpunkt, bis zu dem die Teilnahmeanträge spätestens eingehen müssen.

Diese Bestimmung enthält zunächst die Verpflichtung des Auftraggebers, für den Eingang der Teilnahmeanträge eine Frist von mindestens 14 Tagen einzuräumen. Dabei handelt es sich um eine nach Tagen bemessene Frist, die gem § 56 Abs 3 BVergG mit 0.00 Uhr des Tages, an dem das fristauslösende Ereignis eintritt, beginnt, bei deren Berechnung jedoch dieser Tag nicht einzurechnen ist. Wenn also - wie im vorliegenden Fall - das Publikationsmedium, das die Bekanntmachung enthält, erstmals am 4. Mai 2006 verfügbar ist, läuft diese Frist bis zum Ablauf des 18. Mai 2006. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber den Schlusstermin für die Abgabe von Teilnahmeanträgen frühestens mit Beginn des 19. Mai 2006 festsetzen darf, um diese 14-tägige Frist einzuhalten. Demgemäß beträgt die Frist für die Abgabe der Teilnahmeanträge nur dann nicht "weniger als 15 Tage" iSv § 321 Abs 2 Z 1 BVergG, wenn der Schlusstermin für die Abgabe von Teilnahmeanträgen ab Beginn des 20. Mai 2006 festgesetzt wird.

Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte vertreten die Ansicht, § 56 Abs 3 BVergG finde auf die Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen keine Anwendung, weil diese Frist gem § 64 leg cit genau vom Zeitpunkt der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung bis zum festgesetzten Termin für die Abgabe von Teilnahmeanträgen laufe und nicht nach Tagen bemessen sei. Dem ist zu entgegnen, dass sowohl die gesetzlich geregelte Mindestdauer der Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen als auch die für die Rechtsfolgen des § 321 Abs 2 BVergG maßgebliche Mindestdauer nach Tagen bemessen ist. Unter Zugrundelegung der Ansicht der belangten Behörde und der Mitbeteiligten müsste zur Prüfung der Fragen, ob die 14-tägige Mindestdauer eingehalten wird oder ob die Frist mindestens 15 Tage dauert, zunächst nicht nur der Tag der "erstmaligen Verfügbarkeit" des die Bekanntmachung enthaltenden Publikationsmediums erhoben werden, sondern der genaue Zeitpunkt was jedenfalls mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er dies wollte. Der Umstand, dass die Abgabe von Teilnahmeanträgen nur bis zu dem vom Auftraggeber festgesetzten bestimmten Zeitpunkt möglich ist und die Abgabefrist daher nicht erst mit Ablauf dieses Tages endet, ändert nichts daran, dass die Frage, ob die Abgabefrist mindestens 14 bzw 15 Tage dauert, auf die dargestellte Weise nach der Regel des § 56 Abs 3 BVergG zu lösen ist.

Da der Termin für die Abgabe der Teilnahmeanträge vorliegend mit 19. Mai 2006, 11.00 Uhr, festgesetzt worden ist, beträgt die Teilnahmeantragsfrist, in die der 4. Mai 2006 nicht einzurechnen ist, zwar mehr als 14 Tage, jedoch weniger als 15 Tage.

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag war daher gem § 321 Abs 2 Z 1 BVergG "binnen drei Tagen" vor Ablauf der Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen einzubringen. Aus dem Zweck dieser Regelung ergibt sich eindeutig, dass der Nachprüfungsantrag trotz Verwendung der Wortfolge "binnen ... einzubringen" nicht innerhalb dieser dreitätigen Frist, sondern spätestens drei Tage vor Ablauf der Abgabefrist eingebracht werden muss, sodass während der dreitägigen Frist des § 321 Abs 2 Z 1 BVergG eine Antragseinbringung nicht mehr zulässig ist.

Da es sich bei der Frist für die Einbringung des Antrages auf Nichtigerklärung von Ausschreibungsbestimmungen um eine verfahrensrechtliche Frist handelt, ist für die Berechnung der dreitägigen Frist des § 321 Abs 2 Z 1 BVergG nicht § 56 Abs 2 bis Abs 7 leg cit sondern § 32 und § 33 AVG maßgeblich.

Das für den Lauf der Frist maßgebliche Ereignis ist das - im konkreten Fall mit 19. Mai 2006, 11.00 Uhr festgesetzte - Ende der Abgabefrist für Teilnahmeanträge. Anders als in den meisten anderen Fällen liegt dieses Ereignis zeitlich nicht am Anfang, sondern am Ende der Frist. Der VwGH hat bereits zur Berechnung einer nach Wochen bemessenen Frist gem § 902 ABGB - unter ausdrücklichem Hinweis, dass § 32 AVG eine inhaltsgleiche Regelung enthalte und diese Berechnungsart auch für nach Tagen bemessene Fristen gelte - ausgeführt, dass auch bei Fristen, die dem auslösenden Ereignis zeitlich vorangehen, der Tag dieses Ereignisses nicht mitgezählt wird. Dies bedeutet, dass bei der Berechnung der gem § 321 Abs 2 Z 1 BVergG dreitätigen Frist für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages der Tag, an dem die Teilnahmeanträge spätestens abgegeben werden müssen, vorliegend also der 19. Mai 2006, nicht mitzuzählen ist. Bei den drei Tagen dieser Frist handelt es sich somit um den 16., den 17. und den 18. Mai. Der Nachprüfungsantrag hätte davor, also spätestens am 15. Mai eingebracht werden müssen.