VwGH: Einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach § 360 GewO - Nachbarrechte
Dem Nachbarn kommt kein Antragsrecht zu, ein Verfahren nach § 360 GewO einzuleiten; mangels Parteistellung in einem "allfälligen Schließungsverfahren" haben die Nachbarn daher auch kein Recht auf Akteneinsicht gem § 17 Abs 1 AVG
§ 360 GewO, § 17 AVG, § 24 VStG
GZ 2009/04/0104, 27.05.2009
Die Bf beantragten Akteneinsicht in "allenfalls vorliegende behördliche Schließungs- bzw Verwaltungsstrafverfahren" in Bezug auf die P GmbH.
Die belangte Behörde führte aus, die Einsichtnahme in den Verfahrensakt ergebe, dass der dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegende Antrag iZm der Betriebsanlage der P GmbH erhoben werde. Außer Streit stehe, dass für diese Betriebsanlage ein Änderungsverfahren durchgeführt und die gewerbebehördliche Genehmigung dafür mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden sei. In diesem Änderungsverfahren seien sämtliche Bf als Nachbarn beteiligt gewesen und hätten auch im Rahmen ihrer Parteistellung Einwendungen wegen befürchteter unzumutbarer Belästigungen bzw gesundheitlicher Gefährdungen sowie in weiterer Folge Berufung gegen den Änderungsgenehmigungsbescheid erhoben. Wegen ihrer Befürchtung, die Betriebsanlage werde zunächst ohne gewerbebehördliche Genehmigung bzw ohne Einhaltung der Auflagen betrieben werden, hätten die Bf die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren bzw Administrativverfahren zur Verfügung von Zwangsmaßnahmen beantragt. Offenbar in der Sorge, die Behörde erster Instanz werde ihren amtswegigen Verpflichtungen nicht nachkommen, sei in der Folge "der diesem Verfahren zu Grunde liegende Antrag auf Akteneinsicht gegenüber der BH Freistadt eingebracht" worden. Nachbarn komme kein Antragsrecht und auch kein Rechtsanspruch auf Einleitung eines Verfahrens bzw auf Setzung von Maßnahmen gem § 360 GewO zu. Somit stehe niemandem - insbesondere nicht den Nachbarn - ein Rechtsanspruch auf die Handhabung der nach § 360 GewO der Behörde zustehenden Zwangsgewalt zur Durchsetzung öffentlicher Interessen zu, der mit Mitteln des öffentlichen Rechts verfolgbar wäre. Eine Parteistellung der Nachbarn einer Betriebsanlage sei auch im VStG bei der Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Betreiber der Betriebsanlage grundsätzlich nicht vorgesehen. Gem § 17 AVG stehe Akteneinsicht ausschließlich den Parteien zu. Ein Recht auf Akteneinsicht bestehe aber nicht schon dann, wenn die Akteneinsicht begehrende Person in einem anderen Verfahren Partei sei, weshalb auch die Tatsache nichts ändern könne, dass den Bf eine Parteistellung im angesprochenen Betriebsanlagenänderungsverfahren zugekommen sei. Sofern die Bf ihr Interesse auf Akteneinsicht im Privatrecht begründet sähen, um ihre Interessen in einem allfälligen Zivilprozess durchzusetzen, übersähen sie, dass das Vorliegen lediglich eines Interesses an einer Information für einen allfälligen Zivilprozess nicht schon die Rechtstellung einer Partei in einem Verwaltungsstrafverfahren zu verschaffen vermöge.
VwGH: Ausgehend davon, dass § 17 AVG das Recht zur Akteneinsicht nur den Parteien einräumt, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind, setzt ein Antrag auf Akteneinsicht zunächst den Bezug zu einem bestimmten, vom Antragsteller zu konkretisierenden Verfahren voraus.
Nach stRsp des VwGH hat auf die Handhabung der nach § 360 GewO der Behörde zustehenden Zwangsgewalt zur Durchsetzung öffentlicher Interessen niemand einen Rechtsanspruch, der mit Mitteln des öffentlichen Rechtes verfolgbar wäre. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um solche, die zu treffen vom Gesetzgeber der Behörde bei Vorliegen der angeführten Tatbestände aus öffentlichen Interessen aufgetragen wurde, und deren Nichtergreifen eine Verletzung der Amtspflichten der Behörde darstellen würde. Der Behörde soll ein rasches Einschreiten und gegebenenfalls auch ein ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung des Bescheides notwendiges Eingreifen ermöglicht werden, weshalb diese Maßnahmen auch bloß vorübergehender Natur sind. Somit ergibt sich aus dem Gesetz, dass dem Nachbarn weder ein Antragsrecht zukommt, ein Verfahren nach § 360 GewO einzuleiten, noch, dass ihm ein Anspruch auf Setzung eines behördlichen Verwaltungsaktes bestimmten Inhaltes eingeräumt wäre.
Im Lichte dieser Rechtsprechung kommt somit eine Parteistellung der Bf in einem "allfälligen Schließungsverfahren" nicht in Betracht. Daraus folgend haben die Bf in einem solchen Verfahren aber auch kein Recht auf Akteneinsicht gem § 17 Abs 1 AVG.
Wenn die Bf schließlich vermeinen, ihr Recht auf Akteneinsicht darauf stützen zu können, dass ihnen auch im gewerberechtlichen Betriebsanlagenbewilligungsverfahren eine Parteistellung und somit das Recht auf Akteneinsicht zukomme, ist ihnen entgegen zu halten, dass ein Recht auf Akteneinsicht nicht schon dann besteht, wenn die die Akteneinsicht begehrende Person in einem anderen Verfahren Partei ist und die Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Interessen in diesem Verfahren die Kenntnis der Akten erfordert.