18.07.2004 EU

EU-Kommission leitet zur Thematik "Gewährleistung des freien Warenverkehrs" 18 Vertragsverletzungsverfahren gegen elf Mitgliedstaaten ein


Die Europäische Kommission hat am 15. Juli 2004 beschlossen, Italien an seine Pflicht zur Befolgung eines Urteils des EuGH zu erinnern, das ihm auferlegt, die Vorschriften zu ändern, die den Verkauf von Energiedrinks in Italien de facto verbieten. Außerdem wird die Kommission Italien vor den Europäischen Gerichtshof bringen, weil es versäumt hat, eine Vorschrift aufzuheben, welche die Zulassung von Anhängern für bestimmte Kraftfahrzeuge verbietet.

Die Kommission wird Frankreich vor den EuGH bringen, weil seine Vorschriften die Besitzer von Fahrzeugen aus anderen Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen weiterhin verpflichten, für die Zulassung in Frankreich eine "attestation d’identification" (Nämlichkeitsbescheinigung) vorzulegen.

Deutschland wird verklagt wegen Vorschriften, die Krankenhäusern zur Auflage machen, Arzneimittel von einer Apotheke aus demselben oder einem benachbarten Kreis zu beziehen.

Belgien wird wegen seiner Beschränkungen für die Abmessungen der Flaschen, Kartons und Behälter von abgepackten Produkten vor den Europäischen Gerichtshof gebracht. Außerdem hat die Europäische Kommission Belgien förmlich aufgefordert, mehrere innerstaatliche Vorschriften zu ändern: Bestimmungen, die medizinisches Personal verpflichten, steriles Material ausschließlich von Lieferanten zu beziehen, die vom belgischen Staat zugelassen sind; Vorschriften, die den Verkauf bestimmter Arten automatischer Feuermelder in Belgien verhindern, und Bestimmungen, die den Parallelimport von Bioziden unmöglich machen.

Dänemark ist aufgefordert worden, die Richtlinie 85/374/EG über die Haftung für fehlerhafte Produkte korrekt umzusetzen.

Bei Griechenland hat die EU-Kommission die Änderung der Vorschriften über "Bake-off"-Produkte (tiefgefrorene oder vorgebackene Brot und Backwaren) angemahnt, ferner die Aufhebung der für die Industrie bestehenden Auflage, flüssige Brennstoffe ausschließlich durch Erdgas zu ersetzen, und die Aufhebung von Beschränkungen für den Direktimport von Rohölerzeugnissen durch einzelne Tankstellen.

Frankreich ist aufgefordert worden, seine Vorschriften über die Kennzeichnung von Edelmetallen mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen.

Von Österreich und Irland verlangt die Kommission, dass sie ihre Vorschriften über die Erstattung von Kosten für Arzneimittel und/oder Medizinprodukte ändern (Näheres weiter unten).

Von den Niederlanden hat die Europäische Kommission gefordert, in anderen Mitgliedstaaten gekaufte Kraftfahrzeuge und Anhänger nicht länger vor der Zulassung in den Niederlanden einer technischen Prüfung zu unterziehen.

Von Finnland verlangt die EU-Kommission, dass es die Paralleleinfuhr von Pestiziden erlaubt.

Beim Vereinigten Königreich wird die Änderung der Zulassungsverfahren für Mikrowellendetektoren zur Verkehrserfassung angemahnt.

Der freie Warenverkehr ist eines der Grundprinzipien des Binnenmarktes. Der EG-Vertrag (Art. 28 bis 30) verbietet in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH den Mitgliedstaaten, Einfuhren aus oder Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten zu beschränken, es sei denn, solche Maßnahmen wären durch Gründe des Allgemeininteresses, wie etwa Sicherheit oder Gesundheitsschutz, objektiv gerechtfertigt.

Aber selbst wenn solche Gründe vorliegen, müssen alle Beschränkungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Ziel stehen. Wenn einzelstaatliche Rechtsvorschriften den freien Warenverkehr in der Europäischen Union beschränken, wird den Unternehmen das Recht, ihre Produkte zu verkaufen, vorenthalten, der Wettbewerb auf den nationalen Märkten wird eingeschränkt und die Verbraucher haben weniger Auswahl und müssen möglicherweise höhere Preise zahlen.

.) Genaueres zu Österreich:

Die EU-Kommission hält die österreichischen Vorschriften über die Erstattung der Kosten für Arzneimittel durch die Krankenkassen für nicht gerechtfertigt. Die österreichischen Sozialversicherer erstatten nur Medikamente, die in einem "Heilmittelverzeichnis" aufgeführt sind. In dieses Verzeichnis werden nur Arzneimittel aufgenommen, die bestimmte pharmakologische, therapeutische und wirtschaftlichen Kriterien erfüllen.

Was die wirtschaftlichen Kriterien anbetrifft, bieten parallel importierte Arzneimittel laut eines Erlasses nur dann ein zufrieden stellendes Preis-Leistungs-Verhältnis, wenn ihr Verkaufspreis ab Herstellungsort oder Lager mindestens zehn Prozent unter dem Verkaufspreis von Arzneimitteln liegt, die direkt nach Österreich importiert oder dort hergestellt werden. Nach Auffassung der Europäischen Kommission handelt es sich hier um eine offensichtliche Diskriminierung von Parallelimporten aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.