EuGH: In Frankreich geltendes Verbot der indirekten Fernsehwerbung für alkoholische Getränke ist mit Gemeinschaftsrecht vereinbar
Mit Urteil vom 13. Juli 2004 (Rechtssachen C-262/02 und C-429/02 - Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Französische Republik sowie Bacardi France SAS/Télévision Française 1 SA (TF1), Groupe Jean-Claude Darmon SA und Girosport Sarl) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das in Frankreich geltende Verbot der indirekten Fernsehwerbung für alkoholische Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.
Dieses Verbot stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, ist jedoch durch das Ziel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.
Zum Hintergrund: Das französische Gesetz über die Bekämpfung des Missbrauchs von Tabak und Alkohol ("Loi Evin") verbietet in Frankreich direkte oder indirekte Fernsehwerbung für alkoholische Getränke. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Vorschriften wird im französischen Strafrecht als "délit" (Vergehen) behandelt. Die Modalitäten der Anwendung dieses Verbotes auf Übertragungen von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden Sportveranstaltungen in Frankreich sind in einem von den französischen Behörden und Fernsehanstalten erstellten Verhaltenskodex festgelegt.
Dieser Verhaltenskodex unterscheidet zwischen multinationalen Sportereignissen, bei denen die Fernsehbilder in viele Länder übertragen werden und die daher nicht als hauptsächlich das französische Fernsehpublikum betreffend angesehen werden können, und binationalen Sportereignissen, deren Übertragung sich speziell an das französische Publikum richtet. Nach dem Verhaltenskodex müssen die französischen Fernsehsender bei binationalen Sportveranstaltungen alle verfügbaren Mittel einsetzen, um zu verhindern, dass im Fernsehen Werbung für alkoholische Getränke gezeigt wird.
Der EuGH ist mit zwei die französische Regelung betreffenden Rechtssachen befasst worden. Im Vertragsverletzungsverfahren (C-262/02) hat die Europäische Kommission beantragt, festzustellen, dass die französische Regelung wegen der durch die Loi Evin eingeführten Hemmnisse für Fernsehübertragungen ausländischer Sportereignisse in Frankreich mit dem vom EG-Vertrag garantierten freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar ist.
Das Vorabentscheidungsverfahren (C-429/02) geht darauf zurück, dass der französische Fernsehveranstalter "TF1" die Firmen "Groupe Jean-Claude Darmon" und "Girosport", die für seine Rechnung die Rechte zur Übertragung von Fußballspielen aushandelten, beauftragt hatte, dafür zu sorgen, dass auf dem Bildschirm keine Marken alkoholischer Getränke zu sehen seien. Daraufhin lehnten einige ausländische Fußballvereine die Vermietung von um das Spielfeld angeordneten Werbetafeln an die Firma "Bacardi France" ab, die zahlreiche alkoholische Getränke herstellt und vertreibt. Bacardi France verklagte daher TF1, Darmon und Girosport vor den französischen Gerichten mit dem Antrag, es zu unterlassen, auf ausländische Fußballvereine Druck dahin auszuüben, dass sie die Vermietung von um das Spielfeld angeordneten Werbetafeln verhindern.
In diesem Zusammenhang hat die französische "Cour de Cassation" gefragt, ob die französische Regelung gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere den im EG-Vertrag verankerten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und die Gemeinschaftsrichtlinie "Fernsehen ohne Grenzen", verstößt.
Der Europäische Gerichtshof stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass indirekte Fernsehwerbung für alkoholische Getränke in der Form, dass während der Übertragung von Sportveranstaltungen Werbetafeln zu sehen sind, keine individualisierbare, im Fernsehen gesendete Äußerung zur Förderung des Absatzes von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" ist. Es ist nämlich ausgeschlossen, diese Werbung nur in den Pausen zwischen den verschiedenen Teilen der Fernsehsendung zu zeigen. Daher ist die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" nicht anwendbar.
Sodann stellt er fest, dass die französische Fernsehwerbungsregelung tatsächlich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des EG-Vertrags darstellt. Einerseits müssen nämlich die Eigentümer von Werbetafeln jede Werbung für alkoholische Getränke dann vorsorglich ablehnen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Sportveranstaltung in Frankreich übertragen wird, andererseits unterbindet die Regelung die Erbringung von Dienstleistungen, die in der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen bestehen. Denn die französischen Sender müssen jede Übertragung von Sportereignissen ablehnen, bei der Werbetafeln mit Werbung für in Frankreich vertriebene alkoholische Getränke zu sehen wären.
Außerdem können Veranstalter von außerhalb Frankreichs stattfindenden Sportereignissen die Übertragungsrechte nicht an französische Sender verkaufen, wenn bei der Ausstrahlung der diesen Sportereignissen gewidmeten Fernsehprogramme indirekte Fernsehwerbung für diese alkoholischen Getränke mit ausgestrahlt werden könnte.
Im Übrigen gibt es zwar technische Verfahren zum Maskieren von Fernsehbildern, mit denen Tafeln mit Werbung für alkoholische Getränke gezielt unkenntlich gemacht werden können, doch würden den französischen Sendern durch ihre Verwendung hohe zusätzliche Kosten entstehen.
Der EuGH prüfte schließlich, ob das französische Verbot möglicherweise gerechtfertigt ist und stellt in seinem Urteil fest, dass die französische Fernsehwerbung den Gesundheitsschutz bezweckt und auch geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zieles zu gewährleisten.
Sie geht seiner Auffassung nach auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die Regelung begrenzt nämlich die Fälle, in denen Werbetafeln für alkoholische Getränke im Fernsehen gezeigt werden können, und ist daher geeignet, die Verbreitung entsprechender Werbebotschaften zu beschränken, wodurch die Zahl der Gelegenheiten, die den Fernsehzuschauern Anlass zum Konsumieren alkoholischer Getränke geben können, verringert wird.
Der Europäische Gerichtshof gelangte daher zur Schlussfolgerung, dass der im EG-Vertrag verankerte Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs einem Verbot wie dem in der französischen Regelung über indirekte Fernsehwerbung für alkoholische Getränke vorgesehenen nicht entgegen steht.