EuG: Ein Organ, das einen Antrag auf Akteneinsicht erhält, ist grundsätzlich verpflichtet, den Inhalt der im Antrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen; eine Befreiung dieser Prüfungspflicht kommt nur ausnahmsweise und nur dann in Betracht, wenn die Verwaltung durch diese Prüfung in besonderem Maße belastet würde
Verordung Nr 1049/2001
Mit Urteil vom 13.04.2005 (Rs T-2/03) befasste sich das Gericht 1.Instanz mit dem Recht auf Akteneinsicht bei den Organen der EU:
Die Kommission stellte mit Entscheidung vom 11.06 2002 fest, dass 8 österreichische Banken (ua BAWAG) jahrelang in nahezu ganz Österreich ein Kartell ("Lombard-Club") betrieben hatten, in welchem sie ua die Einlagen- und Kreditzinssätze gemeinsam festlegten.
Der Verein für Konsumenteninformation führt gegen die BAWAG gegenwärtig mehrere Zivilprozesse vor österreichischen Gerichten, in welchen er geltend macht, dass die BAWAG ihren Kunden durch eine unkorrekte Anpassung der Zinssätze für variabel verzinste Kredite jahrelang überhöhte Zinsen berechnet habe.
Die Kommission lehnte den Antrag des VKI auf Einsichtnahme in die Verwaltungsakten betr die Entscheidung "Lombard-Club" ab. Dagegen erhob der VKI beim EuG Klage auf Nichtigerklärung gegen diese Entscheidung der Kommission und berief sich dabei auf die Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (Verordung Nr 1049/2001).
Dazu das EuG:Ein Organ, das einen solchen Antrag erhält, ist grundsätzlich verpflichtet, den Inhalt der im Antrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen. Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist. Da die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falles offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder im Gegenteil zu gewähren ist.
Im vorliegenden Fall konnte auf eine konkrete und individuelle Prüfung jedes der im Antrag bezeichneten Dokumente nicht verzichtet werden, da die von der Kommission geltend gemachten Ausnahmen nicht unbedingt die gesamte Akte Lombard-Club betreffen und selbst bei den Dokumenten, die sie betreffen könnten, möglicherweise nur bestimmte Abschnitte erfassen. Eine Befreiung von dieser Prüfungspflicht kommt nur ausnahmsweise und nur dann in Betracht, wenn die Verwaltung durch die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente in besonderem Maße belastet würde, so dass damit die Grenzen dessen überschritten würden, was vernünftigerweise verlangt werden kann.Die angefochtene Entscheidung lässt nicht erkennen, dass die Kommission konkret und erschöpfend die verschiedenen Möglichkeiten geprüft hätte, die sich ihr für ein Vorgehen boten, das ihr keinen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand verursacht hätte, jedoch die Chancen des Klägers erhöht hätte, zumindest in Bezug auf einen Teil seines Antrags Zugang zu den betreffenden Dokumenten zu erhalten. Das Gericht erklärt die Entscheidung der Kommission daher für nichtig.