01.10.2005 EU

EuGH: Die Europäische Gemeinschaft kann die Mitgliedstaaten verpflichten, strafrechtliche Sanktionen zum Schutz der Umwelt vorzusehen


Schlagworte: Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, Europäische Gemeinschaft, ausdrückliche / stillschweigende Kompetenzzuweisung, Strafrecht, Strafprozessrecht, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion, unerlässliche Maßnahme
Gesetze:

Rahmenbeschluss 2003/80/JI des Rates vom 27.01.2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (Abl L 29, S 55)

In seinem Urteil vom 13.09.2005 zur GZ C-176/03 hat sich der EuGH mit der Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft befasst:

In concreto wurde vom Rat der Europäischen Union, auf Grundlage der Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, der Rahmenbeschluss 2003/80/JI des Rates vom 27.01.2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (Abl L 29, S 55) erlassen.

Dazu der EuGH:Der angefochtene Rechtsakt hat nicht auf der Grundlage der Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen erlassen werden können, weil Zielsetzung und Inhalt des Rahmenbeschlusses in die vom EG-Vertrag im Bereich der Umwelt vorgesehenen Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft fallen.

Der Rat wandte ein, die Gemeinschaft sei beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrecht nicht befugt, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, die im Rahmenbeschluss aufgeführten Verhaltensweisen strafrechtlich zu ahnden, da es an einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung hierfür fehle. Angesichts der erheblichen Bedeutung des Strafrechts für die Souveränität der Mitgliedstaaten sei auch nicht anzunehmen, dass diese Kompetenz der Gemeinschaft stillschweigend habe übertragen werden können.Dem konnte der EuGH nicht folgen. Der Umweltschutz ist eines der wesentlichen Ziele der Gemeinschaft und daher müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen einbezogen werden, so der EuGH. Der Hauptzweck des Rahmenbeschlusses liegt im Schutz der Umwelt. Die meisten seiner Vorschriften hätten wirksam auf Grundlage des EG-Vertrags erlassen werden können. Das Strafrecht (wie auch das Strafprozessrecht) fällt zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, trotzdem kann der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht der Mitgliedstaaten ergreifen, wenn dies seiner Meinung nach erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der von ihm zum Schutz der Umwelt erlassenen Rechtsnormen zu gewährleisten, wenn die Anwendung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen durch die zuständigen nationalen Behörden eine zur Bekämpfung schwerer Beeinträchtigungen der Umwelt unerlässliche Maßnahme darstellt.

Da der Rahmenbeschluss in die der Gemeinschaft durch den EG-Vertrag übertragenen Zuständigkeiten übergreift und damit gegen den Vertrag über die Europäische Union verstößt, der diesen Zuständigkeiten Vorrang einräumt, erklärt der Gerichtshof den Rahmenbeschluss insgesamt für nichtig.