OGH: Zur Prospekthaftung gem § 11 KMG
Dadurch, dass die Haftung nur eingreift, wenn dem Anleger der Schaden im Vertrauen auf die Prospektangaben entstand, ist klargestellt, dass der Prospektmangel für den eingetretenen Schaden kausal sein muss, also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben Grundlage der Disposition des Anlegers waren; auf die Gründe, warum das Wertpapier oder die Veranlagung tatsächlich Verluste eingebracht hat, kommt es aber nicht an
§§ 1295 ff ABGB, § 11 KMG
GZ 7 Ob 77/10i, 30.03.2011
OGH: Die Klägerin nimmt die beiden Beklagten ua nach § 11 Abs 1 KMG in Anspruch, wodurch eine besondere Prospekthaftungsregelung geschaffen wurde. Danach haftet jedem Anleger für den Schaden, der ihm im Vertrauen auf die Prospektangaben oder die sonst nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Angaben (§ 6 KMG), die für die Beurteilung der Wertpapiere oder Veranlagungen erheblich sind, nach Z 1 der Emittent für durch eigenes Verschulden oder durch Verschulden seiner Leute oder sonstiger Personen, deren Tätigkeit zur Prospekterstellung herangezogen wurde, erfolgte unrichtige oder unvollständige Angaben; nach Z 3 haftet auch derjenige, der im eigenen oder im fremden Namen die Vertragserklärung des Anlegers entgegengenommen hat und der Vermittler des Vertrags, sofern die in Anspruch genommene Person den Handel oder die Vermittlung von Wertpapieren oder Veranlagungen gewerbsmäßig betreibt und sie oder ihre Leute die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben iSd Z 1 oder der Kontrolle gekannt haben oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt haben. Die Haftung nach Z 3 besteht nur gegenüber jenem Anleger, dessen Vertragserklärung ein Haftungspflichtiger entgegengenommen oder dessen Erwerb von Wertpapieren oder Veranlagungen er vermittelt hat. Sie erfordert also ein Vertragsverhältnis zwischen dem Anleger und dem gewerbsmäßigen Veräußerer/Vermittler. Die Haftung nach § 11 KMG greift aber auch zwischen dem Emittenten (hier: der Erstbeklagten) und jenem Anleger (hier: der Klägerin) ein, der das Wertpapier bei einer Bank (hier: der Zweitbeklagten) erworben hat. Die Haftung wird an die im Rahmen des Gesamteindrucks zu beurteilende Fehlerhaftigkeit der Prospektangaben geknüpft, die für die Anlageentscheidung wesentliche Punkte betreffen muss. Dazu sind auch die Angaben darüber zu zählen, zu welchem Zweck das aufgebrachte Kapital eingesetzt werden soll. Dadurch, dass die Haftung nur eingreift, wenn dem Anleger der Schaden im Vertrauen auf die Prospektangaben entstand, ist klargestellt, dass der Prospektmangel für den eingetretenen Schaden kausal sein muss, also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben Grundlage der Disposition des Anlegers waren. Auf die Gründe, warum das Wertpapier oder die Veranlagung tatsächlich Verluste eingebracht hat, kommt es aber nicht an.
Soweit die Zweitbeklagte eine anteilige Haftung der Erst- und der Zweitbeklagten unterstellt, setzt sie sich über § 11 Abs 3 KMG hinweg, der für den Fall, dass die Haftung mehrere Haftpflichtige trifft, deren Haftung zur ungeteilten Hand vorsieht. Warum die Übergabe von insgesamt 438.512 Aktien durch die Klägerin eine gegenüber den beiden solidarisch haftenden Beklagten unteilbare Leistung darstellen soll, vermag die Zweitbeklagte nicht nachvollziehbar darzustellen.
Wegen der Solidarhaftung muss es auch gar nicht zwingend zu einer Übergabe an beide Beklagte kommen. Käme es dennoch zur bloßen Teilzahlung durch die Erst- oder die Zweitbeklagte, hätten die §§ 1415, 1416 ABGB Anwendung zu finden. Die Klägerin hätte die der Teilzahlung entsprechende Zahl der Aktien - ermittelt anhand des jeweiligen Zeichnungsbetrags (2006: 8,25 EUR/Stück und 2007: 10,20 EUR/Stück) - zu übergeben. Restbeträge, die den jeweiligen Aktienwert nicht mehr entsprechen würden, gingen zu Lasten der Beklagten.